Die Phosphor-Philosophie

Wie Rainer Schuhmann und Anke Ehbrecht eine unverzichtbare endliche Ressource zurückgewinnen.

Was haben Milch, Wein und Wurst mit Düngemittel und Klärschlamm gemeinsam? Sie verbindet unter anderem eins: Phosphor. Das chemische Element P ist eine endliche Ressource, ähnlich wie Erdöl. Wenn sie ausgeht, könnten die Folgen noch schlimmer werden, als beim Versiegen der  Erdölquellen. Weil Phosphor für den Organismus von Pflanzen, Tiere und Menschen  unverzichtbar ist und es keine alternativen Möglichkeiten gibt, Phosphor zu  ersetzen, würde das Ende der Ressourcen möglicherweise nicht nur zu Kriegen  führen – letztendlich könnte es das Leben auf der Erde zum Erliegen bringen.

„Wir können keine neuen Vorkommen schaffen und wir können Phosphor nicht im Labor erzeugen. Unsere Chance ist das Recycling“, sagt der KIT-Forscher  Schuhmann. Phosphor kommt, vor allem in Form von Phosphaten, in vielen  Produkten vor. „Große Phosphatanteile gibt es bei Nahrungsmitteln  wie Milchprodukten, Wein, Fleischwaren, vor allem aber bei Feldprodukten“, erklärt die Geoökologin Anke Ehbrecht. Menschen nehmen dieses Phosphat über die  Nahrungsmittelauf, verwerten aber nicht den kompletten Anteil im Organismus.

„Innovation ist, einen kleinen Beitrag zu leisten, um die Welt zu retten.“

Dr. Rainer Schuhmann

Der Rest landet dort, wo eigentlich keiner mehr an Recycling denkt: in der Kläranlage. „Abwasser enthält jede Menge Phosphor, das wir rückgewinnen und als Düngemittel einsetzen können. Momentan geht ein großer Teil davon verloren“, so Schuhmann.

Deutschland importiert 100 Prozent des benötigten Rohphosphats, da keine nutzbaren Ressourcen in der Bundesrepublik vorhanden sind. Insgesamt sind das über 100.000 Tonnen pro Jahr, der Großteil davon wird in Düngemitteln verbraucht. Schon innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist ein vielfacher Preisanstieg bei Rohphosphaten zu beobachten. „Je weniger Phosphor es geben wird, desto stärker werden wir die Abhängigkeit von Phosphorexportländern wie zum Beispiel China, spüren“, gibt Schuhmann zu bedenken.

Seit 2007 forscht er gemeinsam mit seiner Kollegin an der Weiterentwicklung einer Technologie zur Rückgewinnung aus Abwässern, mit der etwa zehn Prozent des nach Deutschland importierten Phosphors wiederverwendet werden könnten. Calcium-Silicat-Hydrate (CSH) sorgen dafür, dass im Abwasser gelöste Phosphate in einem zwischengeschalteten Reaktionsschritt separiert werden. CSH wird vor allem für die Produktion von Baustoffen eingesetzt – ein vergleichsweise günstiges Massenprodukt. Bringt man dieses mineralische Material in Kontakt mit Abwasser, kristallisiert das gelöste P als Phosphatmineralam CSH. Das Endprodukt kann ohne weitere Behandlungsschritteals Dünger verwendet werden.

Der Anlagenbauer Alltech GmbH aus dem baden-württembergischen Weingarten erkannte 2011 das Potenzial der patentgeschützten KIT-Technologie. Nun entwickeln KIT und das mittelständische Unternehmen gemeinsam Anlagen, die sich in bestehende Kläranlagen einbauen lassen. Das Projekt bietet Kommunen die Chance zu einem wirtschaftlichen Anfang bei der Phosphorrückgewinnung.

Neuburg an der Donau hat die Gelegenheit am Schopf gepackt. Paul Leikam, Leiter des Amts für Abwasserbeseitigung und Hochwasserschutz in Neuburg, erklärt warum: „Der Klärschlamm aus unserer Anlage wird im Zementwerk verbrannt, dabei erfolgt eine thermische und stoffliche Verwertung nach den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft. Die nicht brennbaren, mineralischen Bestandteile des Klärschlamms werden für die Zementherstellung benötigt und fest in den Zementklinker eingebunden. Der darin enthaltene Phosphor wird dafür zwar nicht benötigt, geht somit jedoch für immer verloren. So entstand die Idee, mit einem wissenschaftlichenPartner gemeinsam ein Projekt zum Phosphorrecycling aufzulegen. Die bisherigen Ergebnisse lassen darauf hoffen, dass wir eine Rückgewinnungsanlage zukünftig dauerhaft in die Anlage integrieren und damit eine neue Einnahmequelle schaffen können. Sollten diese guten Ergebnisse bestätigt werden, wäre eine großtechnische Umsetzung ab Mitte 2014 denkbar.“

Das Prototyp-Verfahren funktioniert, nun gilt es, Anlagen für die  verschiedensten Einsatzzwecke zu entwickeln und den breiten Einsatz zu fokussieren: „Es gibt nicht nur unterschiedliche Abwasserqualitäten – vom kommunalen bis zum landwirtschaftlichen Abwasser –, aus denen Phosphor rückgewonnen werden kann.  Auch in den Produktionsprozessen für viele Nahrungsmittel fallen Phosphatmengen an, die ein Recycling lohnenswert machen“, sagen Rainer Schuhmann und Anke Ehbrecht. Das Umdenken haben die beiden zur persönlichen Mission gemacht: „Das Phosphorrecycling ist lebenswichtig für die Generationen nach uns. Deshalb soll unsere Forschung nicht graue Theorie bleiben, sondern in der Umsetzung einen Beitrag zur Erhaltung der Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen leisten.“

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