• Information
  • Klima, Umwelt und Gesundheit

DAS UNSICHTBARE SICHTBAR MACHEN

Christian Kunz, Jun.-Prof. Franziska Mathis-Ullrich und Prof. Björn Hein wollen Gehirnoperationen sicherer machen. Im Projekt HoloMed arbeiten sie an einem Augmented-Reality-System, das Chirurgen zukünftig kontextsensitive Unterstützung bieten soll.

Jun.-Prof. Franziska Mathis-Ullrich, Prof. Björn Hein und Christian Kunz stehen neben Roboter, der Chirurgen bei der Bestimmung von Einstichstelle und -winkel unterstützt.


Sich in einer Großstadt ohne Navigationssystem zurechtzufinden – in Zeiten der Digitalisierung kaum mehr denkbar. Ganz anders sieht es dagegen im Arbeitsalltag eines Chirurgen aus. Nur sind es im OP keine Kreuzungen wie im Straßenverkehr, sondern feine Gefäße und Nerven, die es ohne Orientierungshilfen zu finden gilt. „Mediziner verfügen zwar meist über verschiedene Bilddateien, etwa Aufnahmen der Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomografie (CT). Diese Informationen befinden sich in der Regel aber nicht im Blickfeld des Chirurgen. Wir suchen daher nach einer Möglichkeit, die reale Welt mit der digitalen zu verbinden und Medizinern ihre Arbeit zu erleichtern“, so Jun.-Prof. Franziska Mathis-Ullrich, Leiterin des Lehrstuhls für Health Robotics and Automation (HERA) am KIT.

„Wir wollen unsere Forschung in die Operationssäle der Welt übertragen. Dabei sind uns eine benutzerzentrierte Entwicklung sowie der ständige Austausch mit Neurochirurgen wichtig. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich unser System nahtlos in bestehende Klinikprozesse einbetten lässt und nicht aufgrund mangelnder Akzeptanz scheitert."

Christian Kunz

 

Im Projekt HoloMed, bei dem das KIT mit der Neurochirurgischen Klinik der Universität Ulm, der mbits imaging GmbH und der User Interface Design GmbH kooperiert, will man Chirurgen mittels Augmented Reality kontextsensitive Unterstützung während der Operation bieten. Dabei konzentrieren sich die Forscher auf einen speziellen Anwendungsfall: Die Ventrikelpunktion am menschlichen Gehirn.

„Über 20.000 Mal im Jahr wird eine solche Operation in Deutschland durchgeführt. Damit gehört sie zu den häufigsten Operationen in der Neurochirurgie“, erklärt Christian Kunz, Mitarbeiter der Forschungslabore für Health Robotics and Automation (HERA) und für Intelligente Prozessautomation und Robotik (IPR) am KIT. „Eine optimale Platzierung des Katheters erfolgt dabei allerdings nur in 60 bis 70 Prozent aller Fälle beim ersten Punktionsversuch, wodurch oftmals mehrere Punktionsversuche notwendig sind. Dies kann schwerwiegende Schädigungen am Gehirn zur Folge haben.“ Der Arzt verfügt zwar über CT-Bilder des Kopfes, kann aber von außen nicht genau ausmachen, wo sich das Ventrikelsystem befindet.

Im Projekt HoloMed haben die Forscher nun ein System entwickelt, mit dem Chirurgen auf einer Augmented-Reality-Brille den Einstichpunkt am Kopf, das Ventrikelsystem und den Einstichwinkel virtuell eingeblendet bekommen, sodass sie den Katheter punktgenau einführen können. Grundlage für die eingeblendeten Informationen liefern Bilder aus dem CT, die automatisiert so aufbereitet werden, dass der Chirurg nur die für die OP relevanten Strukturen sieht.

Die ersten Ergebnisse geben dem Team recht: Bei mehreren Phantom-OPs an einem eigens dafür entwickelten neurochirurgischen Phantomschädel wurden die Ventrikel optimal getroffen. Die deutlich gesteigerte Genauigkeit, eine hohe Benutzerfreundlichkeit und die Tatsache, dass keine zeitaufwendigen präoperativen Maßnahmen erforderlich sind, überzeugen auch die Mediziner der Neurochirurgie.

„Das Besondere an diesem Projekt ist die enge Verzahnung von Wissenschaft und Praxis. Durch die Kooperation mit der Klinik für Neurochirurgie lag der Fokus immer auf einer nahtlosen Integrierbarkeit des Systems in den Klinikalltag“, erklärt Björn Hein, Professor an der Hochschule Karlsruhe und Leiter der Forschergruppe Intelligente Industrieroboter (IIROB) am KIT. So war es beispielsweise eine wesentliche Voraussetzung, dass der Prozess auch dann funktioniert, wenn der Patient komplett abgedeckt ist. „Damit das Augmented-Reality-System korrekt arbeitet, ist eine Art Orientierungshilfe im dreidimensionalen Raum nötig. Oft geht man davon aus, die Umrisse des Gesichts als Anhaltspunkt verwenden zu können. Das ist in Kliniken in Deutschland aber nicht möglich, da Patienten während der OP abgedeckt sind. Daher verwenden wir als Orientierungshilfe einen Marker, ähnlich eines QR-Codes, der auf der Stirn des Patienten platziert und von der AR-Brille erkannt wird.“

Sobald die Ergebnisse mit quantitativen Evaluationen am Phantom untermauert werden können, wäre der nächste logische Schritt die Evaluation im Tierversuch, um die Translation in den realen Klinikalltag zu ermöglichen. Christian Kunz ist optimistisch: „Wir hoffen, dass HoloMed zum Initialprojekt wird, das in den nächsten Jahren auf andere Bereiche in der Medizin angepasst werden kann – womöglich auch mit noch stärkerer Automation durch Roboter. Dabei geht es primär darum, Ärzten ein intelligentes Werkzeug zur Verfügung zu stellen, die Sicherheit im OP und letztendlich die Überlebenschancen der Patienten zu erhöhen“.

 

 

Bilder: Amadeus Bramsiepe / KIT · Intelligente Prozessautomation und Robotik /Lehrstuhl für Health Robotics and Automation / KIT

 

Diese Seite nutzt Website-Tracking-Technologien von Dritten, um ihre Dienste anzubieten. Ich bin damit einverstanden und kann meine Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder ändern.

Alle akzeptieren Einstellungen Nur notwendige akzeptierenImpressumDatenschutz