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AUS ALT MACH NEU: SECOND-HAND-ELEKTROMOTOR

Wie Forschende des KIT Elektromotoren automatisiert demontieren und warum die Wiederaufbereitung in der Industrie wichtiger denn je ist.

Zwei Teammitglieder von Agiprobot stehen in der Demonstrator-Fabrik.


Re-was? Das Konzept und seine gegenwärtige Bedeutung

Remanufacturing ist ein Prozess zur Aufarbeitung von Gebrauchtprodukten, um diese auf den Qualitätsstandard von Neuprodukten zu bringen und für eine Wiederverwendung nutzbar zu machen. Aktuell wird dem Remanufacturing in Deutschland keine besonders große Bedeutung zugeschrieben, Fabriken dafür finden sich vorwiegend in Osteuropa wieder. „Produkttechnisch betrifft das Remanufacturing hauptsächlich werthaltige Produkte mit einer langen Nutzungsdauer,beispielsweise Seilwinden oder Großmotoren. Der Prozess des Auseinanderbauens und Analysierens solcher Produkte ist aufwendig und teuer. Die logische Konsequenz: Unternehmen gehen dorthin, wo die manuelle Arbeitskraft günstig ist, nach Osteuropa“, erläutert Sina Peukert, Oberingenieurin für globale Produktionsstrategien am wbk Institut für Produktionstechnik. Vor allem die hohen Lohnkosten führen aufgrund der bislang kaum etablierten Automatisierung in Deutschland aktuell zur Auslagerung solcher Prozesse. Darüber hinaus verhindert auch eine fehlende Gesetzgebung, nicht nur in Deutschland, sondern allgemein, einen flächendeckenderen Einsatz von Remanufacturing. „Es gibt zu wenig Regularien, die die Wiederverwendung von Altteilen in der Produktion voraussetzen. In Summe gibt es für die deutsche Industrie bisher kaum Anreize, Remanufacturing zu betreiben“, so Peukert weiter.

 

Aufgebaute Demonstrationsfabrik.
Die entstandene Demonstrationsfabrik zeigt die automatisierte Demontage eines Anlassers. Der Demonstrator ist in vier verschiedene Stationen unterteilt, die einzelnen Forschungsfragen gewidmet sind.

Demonstrator-Fabrik am KIT

Mit dem Projekt AgiProbot soll sich diese Sichtweise auf das Remanufacturing in Deutschland ändern. Forschende des KIT bauen am wbk eine Demonstrator-Fabrik auf, mit der sie die Machbarkeit des automatisierten, vollumfänglichen Remanufacturings aufzeigen wollen. Ziel ist es, ein agiles Produktionssystem zu erschaffen, das mittels künstlicher Intelligenz dynamisch auf ständig neue Bedingungen und ungewisse Produktspezifikationen reagieren kann. „In einer Remanufacturing-Fabrik kommen Gebrauchtprodukte in unbekanntem Zustand zu einem unbekannten Zeitpunkt und in unbekannter Menge zurück. Es ist eine Herausforderung, so viele ungewisse Parameter miteinander zu verbinden und zu automatisieren. Im Projekt begegnen wir diesen Herausforderungen mit intelligenter Messtechnik, agiler Produktionssteuerung und der Befähigung der Roboter zum Lernen vom Menschen“, beschreibt Constantin Hofmann, Postdoktorand am wbk. Die Forschenden haben über die vergangenen drei Jahre intensiv an der Umsetzung geforscht.

Entstanden ist bis heute eine Sammlung verschiedener Stationen, die die automatisierte Demontage eines Anlassers zeigen. Die entstandene Demonstrator-Fabrik unterteilt sich in vier unterschiedliche Stationen: Es gibt eine Befundungsstation für möglichst autonome Inspektionsprozesse, eine manuelle Demontagestation, an der Mitarbeitende bislang unbekannte Produkte demontieren, eine autonom lernende Roboterstation, an welcher Produkte möglichst automatisiert demontiert werden und eine modulare automatisierte Station. Zusätzlich wurde ein fahrerloses Transportsystem entwickelt, um der notwendigen Flexibilität der Warenströme gerecht zu werden.

 

Auf dem Weg zur Automatisierung

Die Stationen dienen derzeit einzelnen Forschungsfragen. Angelegt haben die Forschenden sie so, dass eine Vernetzung möglich und auch gewollt ist. „Unser Fokus lag primär auf den jeweiligen Themenfeldern und der Entwicklung der einzelnen Stationen. Wir sind auf einem sehr guten Weg und die Prozesse greifen immer nahtloser ineinander. In den nächsten Monaten fokussieren wir uns nun auf die Verknüpfung. Wir hoffen, zeitnah eine erste komplett automatisierte Demontage angehen zu können“, beschreibt Hofmann die nächsten Schritte im Projekt. Neben der Vernetzung arbeiten die Forschenden derzeit auch am Wissenstransfer. „Wir sammeln unzählige wertvolle Informationen an den Stationen. Methodisch wissen wir, wie wir wann vorgehen müssen. Eine große Herausforderung ist es, diese Vorgänge so zu beschreiben, dass sie jeder versteht. Wir erstellen daher nicht nur 3D-Modelle, sondern auch Informationsmodelle“, so Hofmann weiter. Das Team möchte mit diesen Modellen die Abhängigkeit von Experten lösen und Informationen möglichst transparent darstellen, damit sie ohne Kontextwissen von automatisierten Systemen genutzt werden können.

 

Roboterarm greift nach Gebrauchtteil.
Remanufacturing ist ein Prozess zur Aufarbeitung von Gebrauchtprodukten, um diese auf den Qualitätsstandard von Neuprodukten zu bringen und für eine Wiederverwendung nutzbar zu machen.

Handlungsnotwendigkeit für die deutsche Industrie

Die Forschenden sind sich bewusst, dass die großen Herausforderungen nicht nur im Aufbau und der großflächigen Umsetzung einer solchen Demonstrator-Fabrik, sondern auch im Umdenken liegen. „Unsere Forschung ist sehr zukunftsgetrieben. Jetzt an das Thema Kreislaufwirtschaft und an Szenarien in 15 bis 20 Jahren zu denken, tun die wenigsten, denn es gibt schlichtweg dringendere Themen auf der Tagesordnung. Wir können aber schon heute auf die Handlungsnotwendigkeit hinweisen und mit unserer Demonstrator-Fabrik Interesse wecken sowie einen Anstoß für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der deutschen Industrie geben“, erklärt Peukert. Das Projekt AgiProbot zeigt zudem das Potenzial auf, wie die Wertschöpfungskette zukünftig im eigenen Land gehalten werden kann. „Die deutsche Industrie steckt enorm viel Zeit, Arbeitskraft, Material und Energie in die Produktion unzähliger Produkte. Altteile in die Produktion zu integrieren, ohne die Prozesse auszulagern, kann nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile mit sich bringen und die wirtschaftliche wie standortbezogene Sicherung unserer Industrie für die Zukunft bedeuten“, so Peukert.

 

 

 

Bilder: Amadeus Bramsiepe / KIT

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