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RISIKO ROHSTOFFVERSORGUNG

Das Metall Lithium ist ein kritischer Rohstoff für die Hightech- und Automobilindustrie. Am KIT untersuchen mehrere Projektgruppen die nachhaltige Gewinnung von Lithium aus alternativen Quellen.

Trockene Steinlandschaft in Chile mit weißem Netz überlagert


Bis vor wenigen Jahren wurde Lithium vorwiegend in der Keramik- und Glasindustrie als Schmiermittel oder für Aluminiumlegierungen genutzt. Heute wird der größte Teil für Lithium-Ionen-Akkus zum Einbau in E-Fahrzeugen verwendet. Tendenz steigend, denn die Automobilbranche befindet sich weiter im Wandel hin zur Elektrifizierung. Die Batteriezellfertigung dafür findet derzeit vorwiegend in China statt. Das Lithium wird hauptsächlich aus Südamerika und Australien bezogen, die zusammen einen beträchtlichen Anteil der weltweiten Lithiumressourcen besitzen. Damit befindet sich das Automobilland Deutschland in einer starken ökonomischen Abhängigkeit mit offen sichtlichen Risiken für die Zukunft.

Die Europäische Union hat Lithium als kritischen Rohstoff eingestuft und möchte die Gewinnung zukünftig diversifizieren, beispielsweise durch den Ausbau der Rohstoffgewinnung innerhalb der EU. Das KIT forscht bereits seit mehreren Jahren sehr intensiv auf dem Gebiet der Lithiumgewinnung: Mit diversen Forschungsprojekten deckt das KIT die gesamte Bandbreite von der Rohstoffexploration über die Vorbehandlung bis hin zur Extraktion ab.

 

Valentin Goldberg bei der Thermalwasserbeprobung in Chile.
Valentin Goldberg bei der Thermalwasserbeprobung in Chile.

Doppelt genutzt: Geothermalquellen als Rohstoff- und Trinkwasserlieferant

In den zahlreichen Salzseen der chilenischen Atacama- Wüste befinden sich große Lithiumvorkommen. Gleichzeitig hat das Land aufgrund seiner Geologie und der geografischen Lage am Westhang der Anden mit weit über 200 unterschiedlichen vulkanischen Systemen eine der umfangreichsten Geothermie-Ressourcen weltweit. Daraus ergibt sich ein hohes Potenzial zur Nutzung von geothermischen Reservoiren zur Stromerzeugung oder Wärmenutzung. Die geographische Lage Chiles bedingt aber auch, dass der Norden und speziell die Atacama-Wüste zu den trockensten Regionen der Welt gehören. Natürliche Frischwasserressourcen sind in diesen Regionen oft knapp und können zu Wassernutzungskonflikten zwischen Bergbauunternehmen und kleinen Dörfern sowie indigenen Völkern führen.

Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Thomas Kohl, Professor für Geothermie am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT, untersucht im Projekt BrineMine zusammen mit deutschen und chilenischen Partnern geothermale Solen in Chile. Ziel ist die Nutzung dieser Solen mittels innovativer Technologien sowohl als Energiequelle als auch zur Frischwassergewinnung, um damit das Konfliktpotenzial zu senken. „Wir untersuchen zum einen die hydrothermalen Quellen im Norden Chiles sowie das vulkanische Umfeld im Süden des Landes geochemisch. Die geothermalen Solen in diesen Gebieten enthalten sehr häufig verwertbare Wertstoffe wie Lithium oder Magnesium. Ziel ist die Entwicklung eines mehrstufigen Verfahrens, mit dem die Solen so weit aufkonzentriert werden können, dass Minerale selektiv abgetrennt und Frischwasser gewonnen werden kann“, beschreibt Valentin Goldberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsteams, das Vorhaben. Geochemische sowie geophysikalische Untersuchungen wurden bereits teilweise durchgeführt. „Auf Basis der bisher gewonnenen Erkenntnisse unserer Untersuchungen haben wir einen Prototyp entwickelt, der in Deutschland getestet wurde. Im nächsten Schritt soll die Anlage nach Chile transportiert und dort in Betrieb genommen werden“, so Prof. Kohl zum aktuellen Stand. Das Team will einerseits die technische Umsetzbarkeit des neu entwickelten Prozesses erproben, andererseits soll der internationale Wissensaufbau davon profitieren, indem die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen für die Nutzung von Geothermalquellen als Minerallieferant untersucht und damit das Potenzial als ergänzende Technologie zum herkömmlichen Bergbau aufgezeigt werden.

 

Think Global – Act Local

Während BrineMine sich auf internationaler Ebene mit den Themen Rohstoffpotenzial und Prozessierbarkeit von geothermalen Wässern beschäftigt, werden am KIT in einem weiteren Projekt Technologien entwickelt, um zukünftig die heimische Lithiumressource nutzbar machen zu können und dadurch unabhängiger vom globalen Rohstoffmarkt zu werden. „Unter Berücksichtigung des geplanten Ausbaus der Batteriezellfertigung in Deutschland erscheint die Lithiumgewinnung in heimischen Regionen sinnvoll“, erklärt Prof. Dr. Jochen Kolb, Professor für Geochemie & Lagerstättenkunde am Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT. Im Projekt UnLimited entwickelt sein Team zusammen mit Partnern Technologien zur Lithiumgewinnung aus heißen Tiefenwässern in Deutschland.

Das durch den Energiekonzern EnBW geleitete Verbundprojekt spezialisiert sich auf die Entwicklung und Erprobung eines Verfahrens, das die Lithiumextraktion in Geothermiekraftwerken aus den geförderten Tiefenwässern im Oberrheingraben und dem Norddeutschen Becken begleitend zu deren geothermischer Nutzung ermöglichen soll. Untersuchungsschwerpunkt des KIT ist die Auswahl besonders qualifizierter, lithium-selektiver Adsorbenzien. „Neben Lithium sind in Geothermalwässern viele weitere chemische Elemente enthalten. Wichtig bei der Auswahl des Adsorbens ist, dass dieses sehr selektiv ist und nur das Lithium abtrennt. Nach einigen Versuchen hat sich Manganoxid als besonders geeignet erwiesen, da es andere Stoffe nur zu äußerst geringen Teilen sorbiert“, erläutert Prof. Kolb. Das Team hat mit Manganoxid bereits erste gezielte Experimente an Geothermalwässern durchführen können. „Wir haben im Labor Lithiumkarbonat aus Geothermalwasser gewonnen. Jetzt geht es darum, diese Versuche in die Praxis zu übertragen“, so Prof. Kolb. Die Forschenden sind aktuell dabei, eine Pilotanlage im Geothermiekraftwerk der EnBW in Bruchsal aufzubauen. Dazu wurde bereits ein Bypass in der Geothermieanlage errichtet. „Mithilfe dieses Bypasses können wir Geothermalwasser abzweigen, um es mit dem Manganoxid anzureichern. Wenn das Lithium an das Manganoxid adsorbiert ist, trennen wir den Feststoff vom Geothermalwasser durch Filterung ab. Mit einer schwachen Salzsäure wird das Lithium wieder vom Manganoxid abgetrennt (desorbiert). Die daraus entstehende Lithiumchloridlösung kann weiterbehandelt werden, um Lithiumkarbonat oder Lithiumhydroxid in Batteriequalität zu erhalten“, erklärt Prof. Kolb das Vorgehen. Ziel dieser Voruntersuchungen ist der Aufbau einer umfassenden Pilotanlage in den nächsten Jahren, um den Schritt in eine flächendeckende Praxis vorzubreiten. „Die Lithiummenge, die in der Geothermieanlage in Bruchsal bei 8.000 Betriebsstunden bisher ungenutzt jährlich gefördert wird, ist ausreichend für die Produktion von etwa 20.000 Autobatterien. Damit können wir den langfristigen Bedarf der heimischen Batterieproduktion zwar nicht decken, aber zumindest einen signifikanten Anteil beisteuern“, beschreibt Prof. Kolb das Potenzial. Die gesamtheitliche Forschung am KIT hat ökonomisch nicht nur den Vorteil einer Diversifizierung der Lieferketten, sondern trägt ökologisch auch zu einer nachhaltigeren Extraktion der Überseeressourcen bei, auf die Deutschland zukünftig angewiesen sein wird. Kurz gesagt: Weniger Abhängigkeit von globalen Rohstoffmärkten und Preisschwankungen sowie vereinfachte Lieferketten und verringerte, nachhaltigere Transportwege von Übersee.

 

 

 

Bilder: Valentin Goldberg / KIT · Institut für Angewandte Geowissenschaften / KIT · KIT

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