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DAS UNGENUTZTE NUTZBAR MACHEN

Forschende des KIT entwickeln ein Verfahren zur kostengünstigen Herstellung und Skalierung von thermoelektrischen Generatoren (TEGs), um Wärme in Strom umzuwandeln und damit einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.



Potenzial, Problem, Projekt – die drei P‘s der TEGs

Abwärme entsteht als unbeabsichtigtes Nebenprodukt in vielen alltäglichen Prozessen: In Heizkraftwerken, durch Fernwärme, in Rechenzentren oder Biogasanlagen, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch Motoren und Maschinen strahlen Wärme ab. Elektrische Energie wird in diesen Prozessen in Wärmeenergie umgewandelt. „Die meiste täglich genutzte Energie wird als Wärmeenergie freigesetzt. Der Energieverbrauch in der EU beläuft sich auf rund 17.000 Terawattstunden im Jahr. Wenn wir davon nur ein Prozent nutzen würden, könnten wir 170 Terawattstunden Strom aus Abwärme erzeugen und damit rund ein Drittel des gesamten jährlichen Strombedarfs in Deutschland decken“, zeigt Prof. Dr. Uli Lemmer, Leiter des Lichttechnischen Instituts (LTI) am KIT, das enorme Potenzial der Stromerzeugung aus Abwärme auf. Die Basis dafür wären thermoelektrische Generatoren, denn sie können mittels thermoelektrischem Effekt durch positive und negative Halbleiter Strom aus ungenutzter Wärme erzeugen. Das Problem: Ihre Herstellung ist zu komplex. „Tausende Halbleiter werden maschinell Stück für Stück nebeneinandergesetzt. Das macht die Herstellung teuer und den Einsatz von TEGs im flächendeckenden Gebrauch bisher unmöglich“, beschreibt Lemmer das Problem. Das soll sich mit den Forschungsarbeiten im Projekt „Origami inspired thermoelectric generators by printing and folding“ (kurz: ORTHOGONAL) ändern.

 

 

Forscherin schiebt eine Druckplatte in die Druckmaschine.
Das Projekt ORTHOGONAL befasst sich mit der Herstellung von TEGs durch 2D-Drucken mit anschliessendem 3D-Falten. Den Druckprozess haben die Forschenden in den letzten Jahren intensiv analysiert und weiterentwickelt. (Bild: KIT)

Thermoelektrik trifft auf japanische Faltkunst

Ein grundlegender Meilenstein, den die Forschenden am LTI entwickelt haben und der auch dem Projekt zugrunde liegt, ist das 2D-Drucken mit anschließendem 3D-Falten. „Wir haben in den letzten Jahren viel im Bereich der Thermoelektrik geforscht und unter anderem den Druckprozess analysiert und weiterentwickelt. Ein entscheidender Fortschritt zur kostengünstigen und flexiblen Produktion der TEGs sind unsere verwendeten Materialien“, erklärt Lemmer. „Dr. Mofasser Mallick, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lichttechnischen Institut (LTI), hat uns davon überzeugt, dass es sinnvoller ist, sich mit anorganischen statt organischen Materialien zu beschäftigen. Sein Wissen zur klassischen Thermoelektrik haben wir mit unseren Drucktechniken zusammengebracht“, so Lemmer weiter. Das Ergebnis ist der Einsatz von anorganischen Nano-Komposit-Materialien mit hohem Wirkungsgrad für die gedruckte Elektronik. Die Forschenden haben klassische thermoelektrische Materialien zermahlen, die pulverisierten Nanopartikel mithilfe des Siebdrucks zu druckbaren Tinten verarbeitet, auf ultradünne Substrate aufgetragen, verschmolzen und mithilfe des photonischen Sinterns ausgehärtet. Die entstandene 2D-Folie haben sie dann – inspiriert von der japanischen Faltkunst Origami – mechanisch in die gewünschte 3D-Geometrie gefaltet.

 

 

Die thermoelektrische Kunst verstehen und skalieren

Diesen Prozess gilt es nun weiterzuentwickeln und durch Skalierung für unterschiedlichste Anwendungen nutzbar zu machen. „Um den Prozess hochzuskalieren und die Technologie marktfähig zu machen, müssen wir verstehen, wie die Materialien funktionieren und wie wir die Stabilität verbessern können“, sagt Lemmer. Die erforderliche Schichtdicke der TEGs hängt von der späteren Anwendung ab. Es wird zwischen der Wärmeabgabe gegen Luft und der Wärmeabgabe gegen Flüssigkeit unterschieden. „Bei Wärmeabgabe gegen Luft sind ein paar Millimeter Schichtdicke erforderlich. Da wir diese nicht drucken können, kamen wir auf die Idee des Faltens. Bei Wärmeabgabe gegen Flüssigkeiten funktioniert das Falten aber nicht. Wir müssen in der Ebene bleiben, benötigen aber dickere Schichten für höhere Effizienz“, erklärt Lemmer. Das Forschungsteam prüft verschiedene Möglichkeiten zur Anpassung der Schichtdicke. „Wir probieren unglaublich viel aus und simulieren unterschiedlichste Anwendungen“, so Lemmer.

 

Symboldarstellung des ORTHOGONAL Herstellungsprozesses: Drucken, Rollen und Falten.
Ziel von ORTHOGONAL ist, pulverisierte Nanopartikel zu druckbaren Tinten zu verarbeiten, die mithilfe des photonischen Sinterns ausgehärtet werden und durch Falten in die gewünschte 3D-Geometrie gebracht werden. (Bild: KIT)

Von der Smartwatch bis zum Wärmekraftwerk

Ziel der fünfjährigen ERC-Förderung besteht darin, nicht nur das Verständnis auf der Materialebene zu vertiefen, sondern auch zwei Demonstratoren zu entwickeln – einen für den Kleinflächengebrauch und einen für die industrielle Nutzung. Da Wärme in unzähligen Prozessen entsteht, sind die möglichen Anwendungsszenarien ebenso vielfältig. Jedoch gilt: Je größer der Temperaturunterschied, desto effizienter ein TEG. Langfristig steht für die Forschenden daher das Thema Waste-Heat-Recovery im Vordergrund, um eine Erhöhung der Energieeffizienz in Industrie und Gesellschaft und damit einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. „Wärmekraftwerke sind ein gutes Beispiel für Waste-Heat-Recovery. Hier herrschen Temperaturunterschiede von bis zu 300 Grad Celsius, woraus sich eine hohe Effizienz für TEGs ergibt. Bei Fernwärme liegt der Temperaturunterschied bei 30 bis 40 Grad Celsius und damit ist die Effizienz schon deutlich niedriger. Bei Wearables, wie einer Smartwatch, liegt die Effizienz dann unter einem Prozent. Trotzdem muss man die Zielanwendung und das dafür entstehende Potenzial im Blick behalten: Bei einer Smartwatch ist es die verlängerte Akkulaufzeit und damit der Komfort für den Endkunden, bei Kraftwerken ist es die kommerzielle Stromerzeugung. Entscheidend ist, dass ein ungenutztes Produkt nutzbar gemacht wird, um daraus Energie zu gewinnen“, erklärt Lemmer. Im Hinblick auf den gesellschaftlichen Nutzen sind industrielle Anwendungen sinnvoll, doch wirtschaftlich gesehen stellen sie hohe Anforderungen an die kostengünstige Herstellung dar. Daher ist die kostengünstige Produktion von TEGs ein weiteres Anliegen der Forschenden, um ein wettbewerbsfähiges Produkt zu schaffen.

 

Ausblick mit Impact

Die Arbeit der Forschenden ist schon jetzt vielversprechend. „Das Interesse an der Technologie ist da, das bekommen wir aus vielen unterschiedlichen Anfragen und Gesprächen von Uhrenherstellern bis zu Stahlwerken mit. Die Kerntechnologie für den Prozess ist das Drucken und das bekommen wir dank unserer jahrelangen Forschung besser hin als der Wettbewerb. Ich sehe hier Potenzial für eine Ausgründung, um die Technologie in die flächendeckende Anwendung zu bringen und damit einen Beitrag zur Energiewende zu leisten“, sagt Lemmer und blickt optimistisch in die Zukunft.

 

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Bilder: KIT

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