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DER VIERMAL BESSERE STANDARD

Das Gründerteam der PHABIOC GmbH entwickelt Multiwellplatten für die pharmazeutische und biotechnologische Forschung. Mit der leistungsfähigen SpecPlate mit charakteristischen Messkammern lässt sich der Verbrauch an Probenträgern für spektroskopische Laboranalysen reduzieren.



Bekannt durch seine 1965 aufgestellte Theorie, dass sich die Leistungsfähigkeit von Computern und technischen Geraten ungefähr alle 18 Monate verdoppelt und dabei immer mehr Elektronik auf gleichem Raum untergebracht werden kann, gilt der Chemiker und Physiker Gordon Moore als Vordenker seiner Zeit. Seine Vorhersage beruht darauf, dass aufgrund der technischen Entwicklung immer kleinere Transistoren in einem integrierten Schaltkreis nutzbar sind. Die Leistungsfähigkeit durch verbesserte Ressourcen- und Materialnutzung zu erhöhen, ist auch ein Ziel von KIT-Alumnus Dr. Carsten Radtke. Er legte den Laborkittel am Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik (BLT) des KIT ab, um als Mitgründer der PHABIOC GmbH die Laboranalytik qualitativ zu verbessern und gleichzeitig den Verbrauch von Probenträgern mit einer neuartigen Multiwellplatte zu minimieren. Das junge Unternehmen entwickelt UV-transparente Multiwellplatten für Flüssigproben für die spektroskopische Laboranalytik in der Bio- und Pharmaforschung.

 

Nahaufnahme der Multiwellplatte SpecPlate
Die Multiwellplatte SpecPlate bietet pro Messstruktur vier Messpunkte. Die Konzentrationsstufen der physikalischen Verdünnung sind an der abgestuften Sättigung der grünen Flüssigkeit erkennbar. Mithilfe von Einlass und Auslass wird der Füllstand geregelt. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Kunststoffabfall im Labor

Mikrotiterplatten sind unerlässlich in der Laborbranche. Sie werden in großen Mengen als Verbrauchsmittel zur Untersuchung von biologischen Eigenschaften eingesetzt, zum Beispiel bei der Absorptionsmessung oder beim Hochdurchsatz-Screening. Sein Kompagnon Jannik Jungmann klärt auf: „Täglich werden weltweit Zehntausende Probenträger, unter anderem Multiwellplatten, für labortechnische Anwendungen in den Biowissenschaften verbraucht. In unzähligen Messreihen im Hochdurchsatzverfahren werden die Platten aus hochwertigen Kunststoffen als Einmalprodukte eingesetzt.“ Das genaue Müllaufkommen wird in Deutschland nicht erfasst, aber Schätzungen zufolge entsteht im Vergleich zu anderen Branchen das Zehn- bis Zwölffache an Plastikmüll in Laboren. Mit ihrem innovativen Produkt SpecPlate bieten die Gründer ein Analysewerkzeug, mit dem Probenträger eingespart werden konnten. Die Veränderung liegt hier nicht in den Prozessen im Labor, sondern in der erweiterten Funktionalität der neuen Multiwellplatten.

 

Moores Analogie

Klassische Multiwellplatten sind in der Regel rechteckig und umfassen mehrere Messpunkte, vergleichbar mit kleinen Näpfchen, die matrixförmig in Reihe angeordnet sind. Wo sich bisher ein solcher Messpunkt befindet – ein sogenanntes Well – steht bei der SpecPlate auf gleicher Fläche eine neuartige, stufenförmige Messstruktur mit vier Messpunkten bereit. Radtke macht deutlich: „Mit dem Einsatz der SpecPlate können wir die Verwendung des Goldstandards reduzieren. Das heißt in Zahlen: Wir können insgesamt den Plattenverbrauch um bis zu dem Vierfachen reduzieren, weil wir vier Messpunkte mit einer Messung bedienen können anstatt mit der normalen Platte eben nur eine. Hinzu kommt, dass wir für unsere Probenträger weniger Material verwenden. Der Materialeinsatz pro Platte im Spritzguss ist dadurch geringer.“

 

Gezeichnete Darstellung der Kanalstruktur einer SpecPlate-Messstruktur mit den vier Kammern unterschiedlicher Kanalhöhe und Füllvolumen.
Vergrößerte Kanalstruktur der SpecPlate-Messstruktur mit den vier Kammern unterschiedlicher Kanalhöhe und Füllvolumen. Durch die unterschiedlichen Höhen der Kammern kann bei einer Messung in einem breiten Konzentrationsbereich gemessen werden. (Bild: PHABIOC GmbH)

Multitasking im Hochdurchsatz

Der Entwicklungssprung zu einer effizienteren Multimesskammerplatte für Flüssigproben liegt im Detail, verrät Radtke: „Unsere Messstrukturen bestehen jeweils aus vier mit einem Kanal verbundenen Messkammern unterschiedlicher Höhe und Füllvolumen. Durch diese stufenweise Erhöhung kann in einem Messvorgang verdünnungsfrei in einem breiten Konzentrationsbereich spektroskopisch gemessen werden.“ Dadurch sind viermal so viele Messungen beziehungsweise parallele Messungen in unterschiedlichen Konzentrationsgraden Standardplatten in einem Durchlauf möglich. Ein großer Fortschritt für die Laborarbeit, denn bisher werden sogenannte Verdünnungsreihen mit unterschiedlichen Stoffkonzentrationen in mehreren Messungen nacheinander durchgeführt.

 

Vermessen gut und fehlerfrei

Die SpecPlate verbessert jedoch nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Messergebnisse erheblich. Anders als bei den offenliegenden Näpfchen auf Standardplatten setzt PHABIOC auf geschlossene Messstrukturen mit Ein- und Auslassöffnungen. Durch die Verwendung von geschlossenen, vollgefüllten Messkammern bilden sich keine unerwünschten Flüssigkeitsmenisken aus. Dieses physikalische Phänomen bezeichnet eine Oberflächenkrümmung in der Flüssigprobe, die zu Ungenauigkeiten in den Messergebnissen führt. Jungmann beschreibt die Handhabung genau: „Bei der SpecPlate wird eine Probe wie gewohnt mittels Handpipette oder Pipettierroboter in die Kanalstruktur in mikrofluidischer Größenordnung eingefüllt. Wir haben in unserer Messstruktur vier Kanalhöhen, wodurch eine physikalische Verdünnung auftritt. Die automatisierte Befüllung ist ohne weiteres möglich. Die Proben werden dann mit gängigen Analysegeräten mit Durchlicht bei spezifischen Wellenlangen spektroskopisch untersucht. Durch die Messung der Probe bei vier verschiedenen Pfadlängen, also der unterschiedlichen Höhe der Messkammern, in einem Messvorgang können sowohl hohe Konzentrationen an Molekülen als auch niedrige Konzentrationen gleichzeitig detektiert werden.“ Das Vier-Kammer-System erlaubt den Verzicht auf zusätzliche Verdünnung, wodurch der Einfluss von Pipettierfehlern ausgeschlossen ist. Die SpecPlate gleicht in Maß und Material den konventionellen Multiwellplatten und ist so auch in automatisierten Prozessen und etablierten Geräten in bekannten Hochdurchsatzverfahren einsetzbar.

 

Dr. Carsten Radtke sitzt im Labor und titiert mit der SpecPlate.
Mikrotitierplatten sind Standardlaborartikel, die täglich weltweit in unterschiedlichen Varianten verwendet werden. PHABIOC bietet eine Lösung, um die steigende Zahl und immer höhere Qualitätsanforderungen an die Laborexperimente zu erfüllen. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Innovation mit Weitsicht

Mit der SpecPlate wollen die Gründer die Pharma- und Biotech-Branche effizienter und nachhaltiger gestalten, indem zunächst weniger Probenträger verbraucht werden. Die SpecPlate ist eine vielversprechende Alternative oder Ergänzung zu bestehenden Geraten für jedes Forschungslabor mit UV/VIS-Spektroskopie. Erfinder Radtke, der mehrere Jahre in der universitären Forschung im Labor tätig war, ist sich aber bewusst darüber, dass das nur der Anfang sein kann: „Um den Kunststoffverbrauch weiter zu reduzieren, werden wir langfristige Lösungen der Wiederverwertung brauchen. Bisher ist die Verwendung von recyceltem Material für optische Anwendungen eher schwierig. Eine Idee war, in Zukunft selbst Recycling anzubieten, indem wir gebrauchtes Material einsammeln und eine Methode finden, den Rohstoff weiter im Kreislauf zu halten.“ Jungmann ergänzt: „Wir sehen uns als Wegbereiter für Veränderungen in der Branche und möchten auf lange Sicht etwas bewegen. Da für optische Messungen eine besonders hohe Oberflächengüte nötig ist, wird die Verwendung von recyceltem Kunststoff eines unserer Zukunftsthemen.“

 

Weiterführende Links

 

Bilder: Amadeus Bramsiepe / KIT; PHABIOC GmbH

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