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QUANTENSPRUNG FÜR DIE MATERIALFORSCHUNG

Wie HQS Quantum Simulations, eine Ausgründung des KIT, die Forschung und Entwicklung von Materialien und Medikamenten mit Quantenalgorithmen fundamental verändern will.

Dr. Michael Marthaler erklärt eine Formel an einem Whiteboard


Quantencomputer, die komplexe Aufgaben in unvorstellbarer Geschwindigkeit errechnen, sind keine Utopie mehr. Im Jahr 2019 verkündete Google, „Quantum Advantage“ (Quantenüberlegenheit) erreicht zu haben – die Entwicklung eines Prozessors, der die leistungsfähigsten Supercomputer in den Schatten stellt. Er löst Probleme, an denen jedes heute verfügbare Supercomputing-Zentrum scheitern würde.

Es ist also eine Frage des wann und nicht des ob, bis es Quantencomputer geben wird. Das 2017 gegründete Spin-off HQS Quantum Simulations macht sich dieses Wissen zunutze und rüstet sich bereits heute für die Zukunft. HQS hat eine Software entwickelt, mit der sie Quantencomputer simulieren und eines Tages nutzen können. „Die Simulation von Quantencomputer auf normalen Computern erlaubt natürlich keine produktiven Anwendungen, aber man gewinnt bereits wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft“, erläutert Dr. Michael Marthaler, Mitgründer von HQS, seine Motivation.

Das 20-köpfige Team von HQS will mit der Software vor allem die Chemie- und Pharmaindustrie revolutionieren. Chemikalien, Materialien und Pharmazeutika durchlaufen bis zu ihrer Verwendung einen komplizierten und oft sehr teuren Herstellungs- und Testprozess. Hinzu kommt, dass sie aufgrund ihrer atomaren Eigenschaften den quantenmechanischen Effekten unterliegen und ihre Simulation Rechenleistungen erfordert, die herkömmliche Computer nur schwer leisten können. Die Konsequenz: Die Entwicklung neuer Materialien ist mit heutigem Technologiestand langwierig und nur eingeschränkt möglich. Die Nutzung des Quantencomputers wäre daher ein Meilenstein für die forschende Chemie- und Pharmaindustrie.

Eines der ersten Ziele von HQS ist die Entwicklung von Quantenalgorithmen zur Simulation von Materialien-Modellen, die eine gewisse mathematische Abstraktion von echten Materialien aufweisen. Diese Modelle werden häufig verwendet um Materialeigenschaften qualitativ zu verstehen. Solche Quantenalgorithmen sollen es ermöglichen, die Entwicklungszyklen von neuen Materialien und Chemikalien deutlich zu verkürzen, indem mit ihnen das Verhalten von Molekülen durch Anwendung der Gesetze aus der Quantenphysik vorhergesagt werden kann. Die Simulationssoftware von HQS läuft momentan auf herkömmlichen Computern. Durch die Nutzung spezifischer quantenmechanischer Methoden wird es allerdings einfacher sein, diese später auf den Quantencomputer zu übertragen. Eine deutliche Zeitersparnis!

Das Besondere an der Arbeit von HQS: Sie haben Cloud-Zugriff auf die Quantensysteme von Rigetti Computing sowie Alpine Quantum Technologies (AQT), um ihre Algorithmen zu testen. Die Quantencomputer, die momentan zur Verfügung stehen, sind noch nicht geeignet, um wertschöpfende Ergebnisse für die Industrie zu generieren. Dennoch eignen sie sich für erste Tests, um herauszufinden, ob unsere Überlegungen funktionieren würden“ beschreibt Dr. Marthaler den Mehrwert dieser Kooperationen.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal sieht Dr. Marthaler in der Vorgehensweise, seinen Kundinnen und Kunden bereits heute eine Simulationssoftware auf normalen Computern für die Computer von morgen bereitzustellen. „Wir bieten einen vollumfänglichen Software Engineering Service an, sodass die spezialisierten Tools direkt in existierende Workflows unserer Kundinnen und Kunden eingebaut werden. Diese Kombination aus sehr abstrakten und quantenmechanisch hochgenauen Softwaretools in Verbindung mit dem kompletten Angebot an Software Engineering ist wahrscheinlich in der Art einzigartig“ berichtet Dr. Marthaler.

HQS hat Projekte mit zahlreichen Firmen, wie zum Beispiel Bosch und BASF. Mit Merck hat HQS einen mehrjährigen Kooperationsvertrag. Die Zusammenarbeit zwischen dem Spin-off und der Chief Digital Organisation von Merck wird sich auf die Anwendung und Kommerzialisierung von Software für quantenchemische Anwendungen auf Quantencomputern konzentrieren. Merck hat dabei die Option für eine Vertriebslizenz.

Und wie geht es weiter? „In 20 Jahren werden die Möglichkeiten der Materialiensimulation viel weiter sein als heute und einen großen Einfluss auf die Geschwindigkeit unter anderem bei der Medikamentenentwicklung haben“ prognostiziert Dr. Marthaler. „Wenn der Quantencomputer für Materialien einsetzbar ist, wäre das von großer Bedeutung. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis wir an diesem Punkt sind, aber es kommt schon jetzt darauf an, die ersten richtigen Schritte zu gehen.“

„Wir arbeiten auf den Quantencomputer hin, setzen aber schon jetzt im Rahmen der Möglichkeiten Methoden ein, die es uns erlauben, die Quantenmechanik auf einem normalen Computer zu lösen.“

Dr. Michael Marthaler

 

 

Bilder: RCT Power GmbH· Amadeus Bramsiepe / KIT

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