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Warum man aus einer Mücke einen Elefanten machen sollte

Forschende des KIT haben in enger Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung in Berlin einen vollautomatisierten Sortierroboter für Insekten entwickelt, um bedrohte Arten zu identifizieren und entsprechende Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.



Dr. Lorenz Wührl und Aliena-Marie Schwarz haben am IAI den Diversity Scanner aufgebaut, der mit Hilfe von KI große Probenmengen analysiert und Insekten automatisch erkennt.
Dr. Lorenz Wührl und Aliena-Marie Schwarz haben am IAI den Diversity Scanner aufgebaut, der mit Hilfe von KI große Probenmengen analysiert und Insekten automatisch erkennt.

Insekten sind in den Augen vieler Menschen lästig, klein und unnötig. Mückenstiche jucken, Wespen nerven beim sommerlichen Grillen, Wanzen sind eklig. Dabei werden ihre nützlichen und für ein intaktes Ökosystem unabdingbaren Funktionen vergessen. Die Insektenbestäubung ist essenziell für den Erhalt der Pflanzenwelt, Bodeninsekten beschleunigen den Zersetzungsprozess von Pflanzenmaterial und Raubinsekten fressen Schädlinge. Faktoren wie der Klimawandel, der Einsatz von Pestiziden oder die Urbanisierung führen jedoch dazu, dass Insektenpopulationen weltweit drastisch abnehmen. Zudem beschränkt sich das Interesse an der Insektenforschung überwiegend auf große und bestäubende Insekten. Zeit, den Kleinstlebewesen unseres Planeten mehr Beachtung zu schenken und aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.

Der „Diversity Scanner“ ist ein automatisierter Sortierroboter des Instituts für Automatisierung und Angewandte Informatik (IAI) am KIT, der die Biodiversitätsforschung revolutionieren soll. Mithilfe fortschrittlicher Methoden der Bildverarbeitung und künstlicher Intelligenz kann er große Mengen biologischer Proben analysieren, Insekten automatisch erkennen und klassifizieren. „Begonnen hat alles vor drei Jahren, als Prof. Dr. Rudolf Meier vom Naturkundemuseum in Berlin auf uns zukam und nach einer effizienten Methode zur Sortierung von Insektenproben gefragt hat“, erinnert sich Gruppenleiter Prof. Dr. Christian Pylatiuk vom IAI. Grundlage des daraufhin gemeinsam gestarteten Projekts ist ein bereits zuvor am KIT entwickelter Sortierroboter für Zebrafischeier. Die Annahme: Wenn damit Zebrafischeier sortiert werden können, sollte das mit wenigen Anpassungen auch für Insektenproben funktionieren. Gesagt, getan.

Die Forschenden haben einen 360-Grad-Scanner entwickelt, der mithilfe einer Kamera aus allen möglichen Perspektiven Aufnahmen von in Ethanol konservierten Insekten macht. Jedes Exemplar wird dank der Aufnahmen anhand seiner morphologischen Merkmale analysiert. Die Ergebnisse werden in einer öffentlichen Datenbank gespeichert, sodass die eingebundene künstliche Intelligenz trainiert wird und zukünftig dabei unterstützt, eine schnelle Auswertung und langfristige Dokumentation der Artenvielfalt zu gewährleisten. Ein weiterer Pluspunkt: In Reihe geschaltet kann der Diversity Scanner gleichzeitig Tausende von Insekten vollautomatisch in kürzester Zeit bestimmen. Ein Lichtblick für die Forschung, denn derzeitige Methoden der individuellen DNA-Analyse sind zeitaufwändig und teuer, was wiederum dazu führt, dass viele Insektenarten noch nicht beschrieben sind. Schätzungen zufolge sind etwa 80 Prozent der Population noch unentdeckt oder nicht ausreichend erforscht. Vor allem im Bereich der Kleinstinsekten kleiner als drei Millimeter ist die Dunkelziffer hoch. Hier kommt eine weitere Entwicklung der Forschenden ins Spiel. Der „Levitator“ bringt die Winzlinge mithilfe von Ultraschallwellen, die Druckwellen erzeugen, zum Schweben und stabilisiert sie in der Luft. Dadurch können sie aus verschiedenen Winkeln fotografiert werden, ohne dass sie berührt werden müssen. Mithilfe von virtueller Realität können die Aufnahmen anschließend vergrößert und aus allen Richtungen im Detail betrachtet werden.

Die Forschenden sind auf der Suche nach einem Industriepartner, um den Diversity Scanner in Kleinserie zu fertigen. Der Aufbau dieser Geräte kann die Arbeit von Forschungsinstituten und Naturschutzorganisationen weltweit effizienter gestalten und so aktiv zum Schutz unseres Ökosystems und der biologischen Vielfalt beitragen. Das Projekt zeigt, wie Automatisierung und moderne Technologien die Wissenschaft auf zukunftsweisende Art unterstützen können.

 

Weiterführende Links:

 

Bilder:

  • akinbostanci / iStock.com
  • Hossein Shirali (IAI, KIT)
  • Amadeus Bramsiepe / KIT

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