Die Ausgründung INERATEC steht für Reaktoren im Containerformat, mit denen Abfallgase in synthetischen Kraftstoff umgewandelt werden. Besonders Luft- und Schiffsverkehr könnten vom grünen Treibstoff profitieren.
Um fast 0,2 Grad Celsius pro Dekade erhöht sich die Durchschnittstemperatur auf der Erde, Tendenz steigend. Verantwortlich dafür ist in erster Linie die massenhafte Erzeugung von Kohlenstoffdioxid. Alleine durch das sogenannte „Flaring“, das Verbrennen von Abgasen, werden jährlich über 400 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Dass zukünftig Begleit- und Überschussgase, die in kleinen Mengen auf Mülldeponien oder in der Industrie entstehen, nicht einfach verbrannt werden, haben sich die Gründer der INERATEC GmbH zum Ziel gesetzt.
Sie planen, produzieren und vertreiben chemische Anlagen, mit denen bisher ungenutzte Gase, wie Kohlenstoffdioxid, unter Zugabe von Strom und Wasserstoff in synthetische Kraftstoffe oder chemische Wertprodukte, wie beispielsweise Wachse, umgewandelt werden. Das Besondere daran: Prozesse, die normalerweise in teuren, großtechnischen Anlagen ablaufen, konnte INERATEC ins Miniaturformat überführen.
Das Ergebnis sind kostengünstigere Kompaktanlagen, die fertig montiert in einem herkömmlichen Schiffscontainer Platz finden. Nach dem Baukastenprinzip konzipiert, lassen sich diese beliebig erweitern und überall dort aufstellen, wo Restgase anfallen und Bedarf besteht.
Gegründet wurde INERATEC – ein Spin-off des KIT, dessen Ursprung am Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT) liegt – im Jahr 2016 von Dr. Tim Böltken, Philipp Engelkamp, Dr. Paolo Piermartini und Prof. Dr. Peter Pfeifer. Seitdem ist viel passiert: 25 Mitarbeiter, 20 Kunden und neun Pilotanlagen europaweit waren es bereits Ende 2018. „Unser persönliches Highlight im vergangenen Jahr war der Gewinn des Deutschen Gründerpreises, den wir in der Kategorie Start-up nach Karlsruhe holen konnten“, so Böltken. „Die positive Resonanz auf unsere Idee und der Zuspruch aus der Industrie ermutigen uns und zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“
Den Kern der Anlagen bilden Reaktoren, in denen bekannte chemische Verfahren wie die Synthesegaserzeugung, die Fischer-Tropsch-Synthese, die Methanolsynthese und die Methanisierung ablaufen, nur eben im Kompaktformat. „Diese Flexibilität ermöglicht uns eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. Neben Lösungen für den Bereich Gasto-Liquid gehören auch Power-to-Liquid oder Power-to-Gas-Anlagen zu unserem Portfolio“, erklärt der Chemieingenieur Böltken.
In vielen Fällen beschäftigt sich das Team von INERATEC mit gesellschaftlich relevanten Problemen, die bereits seit vielen Jahren existieren, für die es aber bislang keine dezentralen Lösungen gab. So haben beispielsweise die Betreiber von Solar- und Windkraftwerken durch die Abhängigkeit von Wind und Wetter mit wechselnden Strommengen zu kämpfen. Bei Sturm beispielsweise müssen Windkraftwerke teilweise vom Strom genommen werden, um eine Überlastung der Stromnetze zu vermeiden. Eine kostengünstige Speicherung oder Verwertung war bisher nicht möglich. Die Anlagen von INERATEC sind so platzsparend, dass sie zukünftig mitten in Solar- oder Windparks platziert werden können.
Erneuerbarer Strom wird dann durch die Zuführung von Kohlenstoffdioxid in synthetischen Kraftstoff umgewandelt, welcher sich beliebig lange lagern lässt. Mehr noch: Der gewonnene grüne Kraftstoff kann direkt in bestehende Infrastrukturen gegeben werden. Er ist kompatibel mit gängigen Motoren sowie Triebwerken und verbrennt zudem besser als fossile Kraftstoffe.
Während sich im Bereich der Automobilwirtschaft eine Trendwende hin zur Elektromobilität abzeichnet, gibt es viele Fortbewegungsmittel und Maschinen, die auch in Zukunft mit flüssigem Kraftstoff betankt werden müssen. Böltken blickt optimistisch nach vorne: „Gerade in Zusammenarbeit mit Schiff- und Luftfahrt sehen wir riesiges Potenzial und glauben fest daran, einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten zu können. Doch mit ein paar Litern Kraftstoff schafft man das nicht. Unser Ziel bis 2021 ist es, 50 Anlagen verkauft zu haben und von der Kleinserienreife in die Massenfertigung zu gehen.“
„Meine Vision ist es, eines Tages ein Flugzeug mit regenerativem, synthetischem Kraftstoff zu betanken.“
KLIMANEUTRALES FLIEGEN
Im Verbundprojekt „PowerFuel“, unter Federführung des KIT, wird die Herstellung von synthetischem Kerosin aus erneuerbarem Strom und Kohlenstoffdioxid erprobt. Dazu wurde Anfang 2019 am Campus Nord eine Reaktoranlage von INERATEC, bestehend aus mehreren miteinander verbundenen Containern, in Betrieb genommen. Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff werden zu Synthesegas umgewandelt, welches die Grundlage für die Herstellung von flüssigem, klimaneutralem Kraftstoff bildet. Dieser kann in der Luftfahrt, aber auch im Schwerlast-oder Schiffsverkehr, eingesetzt werden. Zusätzlich wird untersucht, wie der synthetisch erzeugte Kraftstoff zukünftig in den Verkehr gebracht werden kann. Die Anlage soll in der Pilotphase 200 bis 300 Liter Kraftstoff am Tag produzieren.
Weiterführende Links
Bilder: Aun Photographer / Shutterstock, bearbeitet von DER PUNKT · KIT / PPQ · Anne Behrendt / KIT