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DIE KUNST DES RECYCLINGS

Wie wir zukünftig mit Kunststoffabfällen umgehen und für eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft sorgen können.

Beschrifteter Kunststoffmix


Ob Lebensmittelverpackung, Kleidungsstück, Hygieneartikel oder Coffee-to-go-Becher – die Liste an Alltagsgegen ständen aus Kunststoff ist lang. Seit Beginn der Kunststoffverwendung steigt die jährliche Produktionsmenge exponentiell. Waren es 1950 noch rund 1,5 Millionen Tonnen, liegt der globale Durchschnitt heute bei etwa 407 Millionen Tonnen jährlich. Eine 270-fache Erhöhung der Kunststoffproduktion innerhalb von 70 Jahren.

Doch nur knapp 20 Prozent der heute in Deutschland jährlich verbrauchten Kunststoffe werden derzeit recycelt. Etwa die Hälfte wird in langlebige Produkte eingespeichert, die andere Hälfte erscheint als Abfall, wovon wiederum weniger als 50 Prozent tatsächlich rezykliert und nicht energetisch genutzt, das heißt verbrannt, wird. Weltweit ist der Recyclinganteil noch niedriger. Große Teile der Kunststoffabfälle vieler Länder landen auf Mülldeponien, die nicht immer nach modernen Standards betrieben werden. Frei nach dem Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ wird immer noch viel Müll weggeworfen. Das Ergebnis: Viele Entwicklungsländer versinken in Müllbergen aus Plastik, wie Kunststoff umgangssprachlich genannt wird. Plastik findet sich weltweit in Städten, auf Landflächen, in Flüssen und in unseren Meeren in großen Mengen wieder. Mit der Zeit zersetzt sich das Plastik zu Mikroplastik mit Risiken für Mensch und Umwelt.

Am KIT beschäftigen sich gleich mehrere Projekte mit dem Thema Kunststoffrecycling, um dem globalen Müllproblem Herr zu werden.

 

Sortiermaschine mit Lichtschranke basierend auf der Tracer-Based-Sorting-Technologie.
Fluoreszierende Marker werden durch Laser oder LEDs angeregt und dienen der Erkennung von vordefinierten Kunststoffarten.

Tracer-basierte Sortier-Technologie für Verpackungen, Kunststoffe und andere Materialien

Die Firma Polysecure GmbH arbeitet gemeinsam mit dem KIT an neuen Wegen insbesondere zur sortenreinen Trennung unterschiedlicher Kunststoffe mittels fluoreszierender Marker: Kleine anorganische Kristalle, die durch Laser oder LEDs zur Fluoreszenz angeregt und damit detektierbar gemacht werden. „Wir müssen besseres Sortieren als Basis für eine effiziente und nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Kunststoffe werden heut zutage nur nach dem dominierenden Hauptpolymer sortiert, nicht aber nach den zahlreichen Unterklassen und Verwendungszwecken von Kunststoff-Verpackungen“, beschreibt Jochen Moesslein, Geschäftsführer und Gründer von Polysecure, das Problem. Folglich kann nicht zwischen Lebensmittelverpackung, Motorölkanister oder Gehäusedeckel unterschieden werden. Kunststoffe können durch dieses Vermischen beim Recycling nicht mehr für ihren Ursprungszweck verwendet werden. Aus einer Lebensmittelverpackung wird dann beispielsweise eine Spülmittelflasche und daraus wiederum eine Parkbank. Eine Wiederverwendung zum gleichen Zweck ist damit eingeschränkt.

 

Porträt von Jochen Moesslein, Geschäftsführer und Gründer der Polysecure GmbH
Jochen Moesslein, Geschäftsführer und Gründer der Polysecure GmbH

Moesslein erklärt „Kunststoffe werden heute nur teilweise im Kreislauf geführt. Die Kunststoffe an sich sind weniger das Problem, denn sie könnten mehrmals mit geringem Energieaufwand umgeschmolzen werden. Das Problem liegt am Anfang, nach der Sammlung. Die Abfallströme müssten zuerst mal viel präziser und kreislaufgerechter sortiert werden“. Mit der Tracer-Based Sorting-Technologie (TBS) hat das Freiburger Unternehmen gemeinsam mit dem KIT ein Verfahren entwickelt, um solche Abfallströme präzise nach frei definierbaren Fraktionen zu sortieren. Vereinfacht gesagt würden schon bei der Produktion Verpackungen mit fluoreszierenden Markern (Tracer) gekennzeichnet. Diese sind später in der Sortieranlage durch eine Art Lichtschranke mit Laser oder LEDs zur Fluoreszenz anregbar. Die entsprechenden Kunststoffteile können dadurch besser differenziert und sortiert werden. Verbildlicht dargestellt ist der TBS-Ansatz also eine Art maschinelle Briefsortierung für das Kunststoffrecycling. Die benötigte Markermenge pro Verpackung liegt im Bereich weniger Mikrogramm und stellt daher keinen signifikanten Kostenfaktor dar. Aufbringen kann man die Marker entweder durch Einarbeiten in die Druckfarbe, die auf der Verpackung oder dem Etikett aufgetragen wird, oder durch Einbringen in die Kunststoffe selbst. Letzteres hat neben der Artikelsortierung auch Vorteile für die Flakesortierung nach Zerkleinerung der Verpackungen. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens: Die Erkennungsqualität der Marker ist sehr hoch, denn Deformation, Verstaubung oder Geometrie haben keinerlei Einfluss auf ihre Wirkung. Im Vergleich zu anderen Technologien können mit der TBS-Technologie somit auch kleine, flexible oder nicht bedruckte Verpackungen markiert und sortiert werden.

Dass das verlässliche Sortieren von Artikeln und Materialien nach vorgegebenen Materialien funktioniert, konnte Polysecure bereits nachweisen. Sie haben die weltweit erste TBS-Maschine zum Abtrennen von glasfaserhaltigen PVC-Flakes gebaut und gemeinsam mit einem Industriepartner erfolgreich validiert. „Unser Ziel ist nun der Aufbau einer Pilotsortieranlage, mit der die Technologie weiterentwickelt und auf Verpackungen, Textilien und Schreddergut von Fahrzeugen, weißer Ware und mehr übertragen werden kann. Wir müssen wichtigen Stakeholdern die Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit von unserem innovativen Verfahren demonstrieren, damit die von der Politik geforderten Recyclingziele erreicht werden können“, beschreibt Moesslein den nächsten Schritt.

 

Forscher zeigt Ausgangsprodukt Kunststoffabfall.
Mittels Pyrolyse werden Kunststoffe in flüssige und gasförmige Grundbausteine zerlegt.

Pyrolyse zum chemischen Recycling industrieller Kunststoffe

Dass die Handlungsnotwendigkeit nicht nur für den Verpackungsbereich gilt, zeigen auch die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zum chemischen Recycling von Mischkunststoffen am KIT. „Neben den Verpackungen gibt es zahlreiche andere Anwendungsbereiche, auf die rund 70 Prozent der umlaufenden Kunststoffe zurückzuführen sind und die heutzutage größtenteils noch nicht recycelt werden. Von Matratzenschäumen über Dämmstoffe im Baubereich hin zu Elektro- und Elektronikgeräten oder Automobilbauteilen, um nur einige Beispiele zu nennen“, so Prof. Dr. Dieter Stapf, Leiter des Instituts für Technische Chemie (ITC) am KIT.

Versuchsanlange für das Kunststoffrecycling.
Am KIT gibt es eine Versuchsanlage zur Demonstration und Weiterentwicklung der chemischen Pyrolyse für das Kunststoffrecycling in kleinem Maßstab.

Am ITC steht die verfahrenstechnische Forschung zum Schließen der Kunststoffkreisläufe im Fokus. „Die große Herausforderung ist es hierbei, aus komplexen Produkten und deren verunreinigten Abfällen wieder Rohstoffe für neue chemische Produkte und Kunststoffe zu machen. In der Regel liegen Kunststoffe am Ende des Lebenszyklus vieler Produkte nicht als sortenreines, abtrennbares Polymer vor. Es handelt sich um Gemische, zum Beispiel Kunststoffe versetzt mit Biomasse, Metallteilen, Farbpigmenten oder Flammschutzmitteln. Solche hochfunktionalisierten, verbundenen, vermischten oder stark verschmutzten Kunststoffe sind oft nicht einfach mechanisch trennbar, zum Teil nicht mal schmelzbar“, beschreibt Prof. Stapf das Grundproblem. Daher muss der Abfall chemisch aufbereitet werden, um ihn als Erdölersatz wieder nutzbar zu machen. „Wir müssen viel mehr der wertvollen und energieintensiven Kunststoffe recyceln, um das Klima und die Umwelt zu schützen. Hier brauchen wir neue Verfahren, die in der Lage sind, diese verschmutzten Stoffgemische wieder in Rohstoffe aufzuarbeiten und so das mechanische Recycling zu ergänzen“, so Prof. Stapf weiter.

Gläser mit chemischen Stoffen
Der chemisch aufbereitete Abfall kann als Erdölersatz wieder nutzbar gemacht werden.

Eine Lösung der Forschenden am ITC: Mittels Pyrolyse sollen die heute nicht recyclebaren Kunststoffe wieder in Grundbausteine der Chemie zerlegt und Störstoffe abgetrennt werden. „An unserer Versuchsanlage arbeiten wir mit realen und somit repräsentativen Abfällen und stellen Mustermengen der sekundären Rohstoffe her. Gleichzeitig liefern wir mit unserer grundlegenden verfahrenstechnischen Forschung hierzu das Know-how für die Technologieentwicklung und die Maßstabsvergrößerung, die für Kooperationspartner interessant sind“, sagt Prof. Stapf. Die Forschungsgruppe des ITC pflegt diverse Kooperationen mit Unternehmen aus der Abfallwirtschaft, der Chemiebranche oder mit kunststoffverarbeitenden Unternehmen, um eine Bandbreite an Kunststoffen zu untersuchen und Innovationen zu ermöglichen.

Die Verwendung von Kunststoffen hat sich über Jahrzehnte etabliert und wird nur schwer wieder wegzudenken sein. Umso wichtiger ist es, die effizientere Trennung und Weiterverarbeitung von Kunststoffen zu ermöglichen und damit auch die nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu stärken. Eine gesamtheitliche Betrachtung ist dabei essenziell, denn das Sammeln von Verpackungen im gelben Sack alleine wird die Müllberge von heute und die damit verbundenen Klimagasemissionen nicht verringern.

 

Weiterführende Links

 

Bilder: Polysecure GmbH · KIT

 

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