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Die richtige Beton(ier)ung

Das Gründungsprojekt REMENT zielt auf eine geschlossene Wertschöpfungskette in der Bauindustrie ab. Mit ihrer Technologie zum Beton-Upcycling soll Beton zukünftig umweltfreundlich wiederverwertet werden.



Das Gründerteam von REMENT: Adrian Neukirch, Felix Baur, Dr. Achim Stammer und Robert Schleinhege (v.l.n.r.).
Das Gründerteam von REMENT: Adrian Neukirch, Felix Baur, Dr. Achim Stammer und Robert Schleinhege (v.l.n.r.).

Das Wie zählt

Für gesprochene Wörter zählen nicht nur die geäußerten Fakten, sondern auch die Art und Weise, wie ein Gespräch aufgebaut ist. Der Tonfall einer Aussage entscheidet über die Akzeptanz des Gesprochenen beim Gegenüber. Die Betonung spielt wiederum eine essenzielle Rolle, um Emotionen und Gesagtem Ausdruck zu verleihen. Dieses „Wie“ in Kombination mit dem „Was“ ist nicht nur bei der Vermittlung von Botschaften wichtig. Häufig verändert Forschung nicht den eigentlichen Produkteinsatz, sondern die Art und Weise, wie etwas hergestellt wird oder zusammengesetzt ist.

Doch was hat das mit Bauen zu tun? Die Ausgründung Rement möchte eine sinngemäße Betonung in der Baubranche in den Fokus rücken. Hier spielt die richtige Betonierung im Sinne ökologischer Aspekte eine wichtige Rolle für zukünftige Bauprojekte. Die Bauindustrie boomt und mittlerweile sind rund 1,2 Millionen Quadratkilometer der Erde betoniert, Tendenz steigend. Auch wenn das umgerechnet nur knapp ein Prozent des Festlandes der Erde ausmacht, sind die Folgen verheerend. „Fast 30 Milliarden Tonnen fossiles Material werden jährlich für die Betonproduktion eingesetzt. Die Menge an künstlich hergestellten Stoffen wie Beton, Kunststoff oder Textilien wächst exponentiell, sodass der Anteil menschengemachter Masse die Biomasse der Erde inzwischen überschritten hat“, erklärt Robert Schleinhege, Mitgründer von Rement. Neben der Nutzung fossiler Materialien ist auch die Umweltbelastung bei der Zementproduktion ein Problem. Rund acht Prozent der globalen CO2 -Emissionen sind auf die Zementindustrie zurückzuführen. „Ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht, ein Verzicht auf den Baustoff global nicht realistisch und der Einsatz von Recycling-Material im Beton noch nicht verbreitet. Wir müssen andere Wege finden, wie die Baubranche nachhaltiger gestaltet werden kann“, ergänzt Felix Baur, ebenfalls Mitgründer von Rement. Gemeinsam hat das Team einen Beton-Upcycling Ansatz entwickelt, der den Rohstoffeinsatz nachhaltiger gestalten soll.

Der erste Prototyp produziert bereits eine ausreichende Menge an Recycling-Produkten, um interessierten Unternehmen Produktmuster anzubieten
Der erste Prototyp produziert bereits eine ausreichende Menge an Recycling-Produkten, um interessierten Unternehmen Produktmuster anzubieten

Weitergenutzt statt ausgedient

Gebrauchter Beton wird bisher fast ausschließlich „gedowncycelt“ – das heißt, als minderwertiges Recycling-Produkt wiedereingesetzt. Nach seiner Nutzungsphase hat er ausgedient, wird nach dem Abriss zerbrochen und dann beispielsweise im Straßenbau als Füllschicht eingesetzt. Der entstehende Abfallstrom der Bauindustrie ist immens: Rund 30 Prozent des EU-Abfalls besteht aus Beton. Die mit der Betonherstellung und dem globalen Bauboom einhergehende Problematik bedarf einer Lösung. Der Ansatz von Rement: Ausgedienten Beton aufbereiten und wiederverwertbar machen. Damit wirken sie dem branchenüblichen Downcycling entgegen und erhöhen die Wertschöpfung des Recylingprozesses. Marktüblich sind bisher mechanische Downcycling-Prozesse. Mit ihrem chemischen Recyclingverfahren ergänzt das Rement-Team den existierenden Prozess um einen nachgelagerten Upcycling-Schritt. Ausgangsmaterial sind Betonbrechsände, die in den Rement-Anlagen sortenrein aufbereitet werden. Das Verfahren arbeitet in zwei Schritten: Extraktion und Fällung. Im ersten Schritt wird dem Betonbrechsand in einem Reaktor Wasser und Kohlenstoffdioxid beigefügt. Daraus formt sich unter Druck Kohlensäure, welche wiederum die basischen Zementverbindungen auflöst. Dadurch können Siliciumdioxid und Sand ausgeschleust werden. Das aus dem Zement extrahierte Calciumoxid und Kohlendioxid reagieren zu Calciumcarbonat. Im zweiten Schritt wird der Rohstoff Calciumcarbonat in einen zweiten Reaktor überführt und daraufhin durch Veränderung der Prozessparameter im Reaktor als weißes Pulver ausgefällt. „Mit unserem Verfahren können wir einerseits bei der Zementherstellung emittiertes Kohlenstoffdioxid wieder in Material einspeichern und andererseits eine sortenreine Verwertungsmöglichkeit anbieten, indem die Bestandteile des Betons herausgelöst und gezielt einzeln verwertet werden. Der gewonnene Sand kann wieder im Bau eingesetzt werden. Siliciumdioxid dient in neuem Beton als Zusatzstoff und das gefällte Calciumcarbonat kann als Füllstoff in Papier, Kunststoffen oder bauchemischen Produkten eingesetzt werden“, beschreibt Baur die Vorteile des Rement-Verfahrens.

Für interessierte Unternehmen bedarf es keiner großen Prozessumstellung — die REMENT-Anlagen sind problemlos in bestehende Abläufe integrierbar.
Für interessierte Unternehmen bedarf es keiner großen Prozessumstellung — die REMENT-Anlagen sind problemlos in bestehende Abläufe integrierbar.

 

An der Zukunft bauen

Die Idee überzeugt. Die Gründer konnten sich bei Deutschlands größtem studentischen Gründungswettbewerb GROW gegen die Konkurrenz durchsetzen. „Mit der Finanzierung haben wir unser erstes Labor ausgestattet und arbeiten seitdem mit vollem Fokus an der Weiterentwicklung der Technologie. Wir haben viel Laborforschung betrieben und den ersten Prototyp gebaut“, berichtet Baur. Mit dem Ende 2024 erfolgreich beantragten EXIST-Forschungstransfer sind die Gründer aktuell dabei, den Prototyp in die Pilotierung zu überführen. „Derzeit sind wir intensiv mit dem Aufbau einer Pilotanlage im Containerformat beschäftigt. Das ermöglicht uns nach Fertigstellung die flexible Erprobung in einer Realumgebung auf dem Gelände interessierter Anwendungsgruppen, um wichtiges Feedback für den anschließenden Aufbau einer vollskalierten Anlage zu sammeln“, beschreibt Schleinhege die nächsten Schritte des jungen Unternehmens.

Mit potenziellen Anwendenden sind sie bereits im Gespräch: „Wir haben schon mit einigen Unternehmen unsere Idee diskutiert und erste Anforderungen für eine spätere Implementierung mitgenommen. Einige Firmen sind schon an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert“, so Schleinhege weiter. Das Rement-Verfahren ist vor allem für zwei Zielgruppen interessant: Einerseits für Baustoffrecyclingunternehmen, andererseits für Zementproduzenten. Bei Letzteren entstehen hohe Kohlenstoffdioxid-Emissionen, die durch das direkte Einleiten in Rement-Anlagen verringert werden könnten. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das Budget: Die Zementproduzenten müssten einerseits weniger Kosten für das europäische Emissionshandelssystem zahlen und könnten andererseits das beim Recycling entstehende Calciumcarbonat in ihr Produktportfolio aufnehmen. Bei den Baustoffrecyclingunternehmen bestehen solche fossilen Punktquellen und damit die Notwendigkeit des Emissionshandels hingegen nicht. Hier liegt das Potenzial in der Anlieferung von flüssigem, biogenem Kohlenstoffdioxid, das in Rement-Anlagen eingeführt und beim Recycling gebunden wird. Unternehmen mit ambitionierten Klimazielen können Carbon-Dioxide-Removal-Zertifikate zur Verbesserung ihrer Klimabilanz erwerben, sodass für das Baustoffrecyclingunternehmen ein neuer Umsatzstrom entsteht – eine Win-win-Situation mit klimatisch positiven Auswirkungen.

Die Inbetriebnahme der Pilotanlage ist für Ende 2025 geplant. Ziel sind dann Probeproduktionsläufe mit Industriepartnern, um neue Erkenntnisse zu generieren und den Bau der vollskalierten Anlage vorzubereiten. Langfristig möchte Rement seinen Kunden auf Basis eines Lizenzmodells eine Komplettlösung anbieten, von der Beratung bis zur Anlage. „Unser Fokus ist es, Wertschöpfungsketten grundlegend neu zu gestalten und die dafür notwendigen Partner an einen Tisch zu bringen. Mit unserer technologischen Expertise unterstützen und tragen wir gemeinsam dazu bei, veraltete Denkmuster abzulegen und das Fundament der Baubranche neu zu denken“, erklärt Schleinhege. Ein Ansatz, der zeigt, dass das „Wie“ bei der Betonierung unabdingbar ist, um die Baubranche zukünftig ressourcenschonend und nachhaltig zu gestalten. Er kann darüber entscheiden, wie sich das Verhältnis von Biomasse zu menschengemachter Masse zukünftig entwickelt.

 

Weiterführende Links:

 

Bilder:

  • Amadeus Bramsiepe / KIT

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