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Leere mit Sinn füllen

Wie das LogIKTram-System den urbanen Güterverkehr auf neue Wege führen will: Das Logistikkonzept setzt darauf, wenig ausgelastete Fahrten von Straßenbahnen oder Regionalzügen für den städtischen Gütertransport zu nutzen.



Freie Plätze für die Fracht

Während sich zur „rush hour“ Menschenmengen in überfüllte Bahnen drängen, bleiben diese außerhalb der Hauptverkehrszeiten teilweise halb leer. Gleichzeitig sind immer mehr Lieferfahrzeuge auf den städtischen Straßen unterwegs – eine Folge des immer beliebter werdenden Online-Konsums. Diese alltäglichen Beobachtungen waren Anlass genug, die urbane Güterlogistik bei LogIKTram neu zu denken: „Statt immer mehr Lieferfahrzeuge auf die städtischen Straßen zu schicken, sollen Pakete in Zukunft emissionsfrei per Straßenbahn transportiert werden“, sagt Dr. Michael Frey vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) des KIT stellvertretend für den Projektverbund. Nach drei Jahren Entwicklungszeit präsentierten die Projektpartner im Sommer 2024 ihre Ergebnisse: eine umgebaute Straßenbahn und ein autonomer Lastenanhänger.

Live-Demonstration des autonomen Be- und Entladevorgangs bei der Abschlussveranstaltung von LogikTram.
Live-Demonstration des autonomen Be- und Entladevorgangs bei der Abschlussveranstaltung von LogikTram.

 

Wenn die Straßenbahn zur Gütertram wird

Die Grundidee klingt simpel: Nicht ausgelastete Straßenbahnen, die ohnehin durch die Stadt fahren, transportieren nicht nur Menschen, sondern auch Pakete. Diese werden in einen speziellen Lastenanhänger (eTrailer) geladen, der an Haltestellen selbstständig ein- und aussteigt. Technisch war das Projekt jedoch herausfordernd, wie Frey ausführt: „Zunächst haben wir die Struktur der Bahn analysiert. Wie ist eine typische Bahn untergliedert? Wo wäre Platz für die temporäre Fracht und wie lässt sich die Ladung automatisch und verlässlich sichern, ohne Passagiere zu gefährden? Dann haben wir verschiedene Innenraum- und Sicherheitskonzepte erarbeitet, evaluiert und schließlich die zur Verfügung gestellte Bahn umgebaut.“ Da für das Projekt keine Niederflurbahn aus dem laufenden Betrieb genommen werden konnte, nutzte das Team ein älteres Modell mit Treppeneinstieg und konstruierte ein Plateau zum Höhenausgleich für einen ebenerdigen Einstieg des Lastenanhängers. Während Frey und sein Team sich der gesamten Fahrzeugkonzeption und -automatisierung widmeten, hat sich das Institut für Verkehrswesen (IFV) des KIT um die umfassende Simulation der verkehrlichen Wirkungen gekümmert. Wichtig war demnach nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch der zu erwartende Effekt im Straßen- und Schienenverkehr.

 

Sicheres Verladen in 30 Sekunden

Im Zentrum der Lösung steht der elektrisch betriebene Lastenanhänger, der extra für die Anwendung modifiziert wurde. „Es war eine Herausforderung, den eTrailer so zu gestalten und zu steuern, dass er sich sicher und autonom bewegt, ohne den Personentransport oder den Fahrplan zu stören“, so Frey. Ausgestattet mit einer intelligenten Lenksteuerung bewegt sich der Anhänger an den regulären Haltestellen ohne menschliches Zutun in den vorgesehenen Laderaum oder aus der Bahn heraus. Frey berichtet stolz: „Das Verladen dauert rund 30 Sekunden – kaum länger als die regulären Passagierwechsel. Von uns entwickelte Steuerungsmechanismen sorgen dabei für ein reibungsloses Andocken in der Bahn, während ein automatischer Schließmechanismus die Ladung selbst bei abruptem Bremsen sichert.“ An der anvisierten Haltestelle steht der eTrailer dann bereit zur Weiterverteilung – entweder per Hand oder Fahrradkurier. In ferner Zukunft wäre auch denkbar, dass der Lastenträger vollständig autonom zu weiteren Verteilerstellen fährt oder direkt als Packstation fungiert.

 

So könnte die Zukunft aussehen: Ein Lastenanhänger fährt autonom mit der Bahn ins Zustellgebiet, wo er von einem (Fahrrad-)Kurier zur Auslieferung übernommmen wird. Die Lastenanhänger sollen den Bedarf an Sprinterfahrzeugen reduzieren.
So könnte die Zukunft aussehen: Ein Lastenanhänger fährt autonom mit der Bahn ins Zustellgebiet, wo er von einem (Fahrrad-)Kurier zur Auslieferung übernommmen wird. Die Lastenanhänger sollen den Bedarf an Sprinterfahrzeugen reduzieren.

Vernetzung und smarte Koordination

Das mehrdimensionale System zwischen Straßenbahn, Ladungsträgern und Güterlogistik erfordert präzise Automatisierung und nahtlose Integration von Hardware und Software. Zu diesem Zweck ist im Projekt eine intelligente Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)-Plattform unter Federführung des Partners INIT entstanden, die alle Abläufe koordiniert. Sie verbindet die Verkehrsplanung mit logistischen Anforderungen und stellt sicher, dass keine zusätzlichen Verkehrsengpässe entstehen. Ziel ist es, Schienenfahrzeuge im erweiterten Sinn zu nutzen, um Lieferwägen auf der Straße zu reduzieren. „Zusätzlich wurde ein KI-basierter Halteassistent entwickelt, der die Zugführenden dabei unterstützt, den optimalen Bremspunkt zu finden: Denn die Treffsicherheit zwischen Tür und Anhängerposition ist entscheidend, damit der eTrailer sicher und schnell ein- und aussteigen kann. Dieser muss wiederum wissen, wann er an welcher Haltestelle ist und in welche Bahn er zusteigen soll. Das System analysiert mit entsprechenden Belegungssensoren in der Bahn ständig, ob der Laderaum frei ist oder eine sichere Entladung möglich ist“, so Frey weiter. Die starke Vernetzung sorgt dafür, dass der richtige Anhänger zur richtigen Zeit bereitsteht und steuert den Transportprozess bis hin zur finalen Auslieferung.

 

Der Weg nach vorne: Reallabor Karlsruhe

Was den Einsatz von LogIKTram in Karlsruhe so vielversprechend macht, ist das Zwei-System-Konzept (engl. TramTrain), bei dem spezielle Stadtbahnfahrzeuge sowohl auf Eisenbahn- als auch auf Straßenbahnschienen fahren. Dieses Karlsruher Modell ermöglicht durchgängige Verbindungen von der Innenstadt bis in die Vororte, wo häufig Verteilerzentren angesiedelt sind. Mit der Albtal-VerkehrsGesellschaft mbH, die das gesamte Projekt koordiniert, entstand so ein praxisnahes Konzept für Niederflurfahrzeuge. LogIKTram zeigt mit der geschickten Verknüpfung bestehender Ressourcen und neuer Technologien auf, wie der Stadtverkehr durch Kombination von Personentransport und Güterverteilung nachhaltiger werden könnte. „Unsere Vision ist es, das urbane Leben durch effizientere und grünere Lösungen ein Stück besser zu machen – und das fängt bei jedem transportierten Paket an. Wir haben gezeigt, dass die Gütertram technisch möglich ist. Jetzt gilt es die bestehenden Herausforderungen wie die fehlende Zulassung der modifizierten Schienenfahrzeuge oder eine gesetzliche Grundlage für den gemischten Betrieb zu klären“, so Frey abschließend. Der Demonstrator macht greifbar, wie das Zusammenspiel von Bahn, Lastenanhänger und Passagieren im Alltag aussehen könnte. Im kürzlich gestarteten Folgeprojekt „regioKArgoTramTrain“ werden die vielversprechenden Ergebnisse auf reale Streckenstücke mit einem neueren Fahrzeug ausgeweitet.

 

Weiterführende Links:

 

Bilder:

  • wong nerimo, malerapaso / iStock.com
  • Amadeus Bramsiepe / KIT
  • Paul Gärtner / AVG

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