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MINUS * MINUS = EIN PLUS FÜRS KLIMA

Wie Forschende des KIT gemeinsam mit den Industriepartnern INERATEC und Climeworks mit negativen Emissionen dem Klimawandel begegnen und dabei das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid in einen industriell nutzbaren Rohstoff umwandeln.

Detailansicht der Anlage zur Methanpyrolyse am KIT: Der Flüssigmetall-Blasensäulenreaktor generiert reinen Kohlenstoff.


Fünf vor zwölf!“, so die klagenden Worte der Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Sie werden zunehmend lauter und fordernder. Um den Klimawandel aufzuhalten, hatte die Reduktion und Vermeidung von Kohlenstoffdioxid (CO2) in sämtlichen Lebens- und Wirtschaftsbereichen bislang höchste Priorität. Trotz globaler gesellschaftspolitischer Bemühungen, wie dem Pariser Klimaabkommen von 2015 und zuletzt der UN-Klimakonferenz im November 2022, ist die Bilanz ernüchternd. Gesteckte Klimaziele bleiben unerreicht. Das liegt zum einen daran, dass Maßnahmen nicht schnell genug umgesetzt werden können. Zum anderen fehlen schlichtweg wirkungsvolle Lösungen.

 

Am Wendepunkt

Die offiziellen Klimastatistiken zeigen die bittere Wahrheit auf: Es reicht nicht aus, den Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen zu verringern, um die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen. Dieser Wert markiert den Wendepunkt, ab dem die fortschreitenden Klimaveränderungen für Mensch und Lebensraum zunehmend schädlich werden. Umdenken und Handeln ist gefragt, um bereits emittierte Emissionen zurückzuholen. Vor diesem Hintergrund arbeitet das KIT seit 2019 mit den Unternehmen Climeworks Deutschland GmbH und INERATEC GmbH im Projekt NECOC (Negative Carbondioxide to Carbon) zusammen. Ihr weltweit einzigartiger Ansatz: CO2 aus der Luft entziehen und es in festen Kohlenstoff umwandeln. Dr.-Ing. Benjamin Dietrich vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik (TVT) des KIT koordiniert das Projekt und ist überzeugt: „Mit unserer technischen Lösung kommen wir den ambitionierten klimapolitischen Zielen einen entscheidenden Schritt näher. Kohlenstoffdioxid, das als negative Emission aus der Atmosphäre entzogen wird, kann dem Klima nichts mehr anhaben.“

 

Teile der NECOC-Versuchsanlage am Campus Nord des KIT: Methanisierung (Container rechts) und Methanpyrolyse (Aufbau in der Halle links)
Teile der NECOC-Versuchsanlage am Campus Nord des KIT: Methanisierung (Container rechts) und Methanpyrolyse (Aufbau in der Halle links)

Starkes Trio

Die 2022 in Betrieb genommene Demonstrationsanlage am Campus Nord des KIT vereint wichtige Verfahrensschritte der drei Projektpartner zu einer bedeutenden Prozesskette. Die Basis bildet dabei die von Climeworks entwickelte CO2-Abscheidung aus der Umgebungsluft, bekannt als „Direct Air Capture“. Die Luft wird mittels Ventilatoren aus der Umgebung angesaugt und das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid mithilfe eines selektiven Filters abgetrennt. Durch Erhitzen wird das CO2 dann für den Folgeprozess der Methanisierung freigesetzt. Im Methanisierungsreaktor von INERATEC reagiert CO2 unter Zugabe von regenerativ gewonnenem Wasserstoff bei Druck und hohen Temperaturen zu Methan und Wasser. „Im letzten Schritt wird das erzeugte Methan in einer mit flüssigem Zinn befüllten Blasensäule bei hohen Temperaturen in seine Bestandteile zerlegt. In aufsteigenden Gasblasen findet die Zersetzung in Wasserstoff und Kohlenstoff statt. Der Wasserstoff wird für den Prozess der Methanisierung rückgeführt. Im Blasensäulenreaktor kann das entstehende, oben schwimmende schwarze Pulver dann mechanisch abgetrennt werden“, erklärt Dietrich die sogenannte Methanpyrolyse, die am Karlsruher Flüssigmetalllabor (KALLA) als Einrichtung des Instituts für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES) des KIT entwickelt wurde. Durch die Methanpyrolyse entsteht festes Kohlenstoffpulver, das als Rohstoff für industrielle Anwendungen nutzbar ist. Denkbar wäre der Einsatz als Baustoff in der Bauindustrie, in Elektrodenfolien, in der Agrarindustrie oder für Farben. Dietrich berichtet zum aktuellen Status: „Wir haben das Know-how aller Partner zusammengeführt und einen schlüssigen Prozess im Containermaßstab geschaffen. Im kontinuierlichen Betrieb entfernt die Pilotanlage je nach Auslegung aktuell jeden Tag knapp zwei Kilogramm CO2 aus der Umgebungsluft und produziert daraus etwa 0,5 Kilogramm festen Kohlenstoff.“

» Die weltweite CO2-Einsparung allein reicht nicht aus. Erst mit dem Entzug von CO2 aus der Atmosphäre ließe sich der Treibhauseffekt effektiv ausbremsen. Mit unserer Anlage wandeln wir das klimaschädliche CO2 in einen wirtschaftlich nutzbaren Rohstoff um, der sonst heutzutage überwiegend noch aus fossilen Quellen gewonnen wird.«

Dr.-Ing. Benjamin Dietrich
Endprodukt von NECOC und Rohstoff für die Industrie : carbon black
Endprodukt von NECOC und Rohstoff für die Industrie : carbon black

Von der Last zum Ertrag

Mit der Inbetriebnahme der Anlage konnten die Projektpartner zeigen, dass Kohlenstoffdioxid sich zum Positiven wandeln lässt. „Uns ist es gelungen, den NECOC-Prozess erfolgreich zu demonstrieren. Die nächsten Monate bleiben spannend. Wir untersuchen, wie mit unterschiedlichen Prozessparametern verschiedene Kohlenstoffmodifikationen produziert werden können. Dies könnte z.B. Carbon Black oder graphenartiger Kohlenstoff sein. Dabei haben wir ein besonderes Augenmerk darauf, wie effizient die Gase in den einzelnen Prozessschritten im Gesamtablauf umgewandelt werden und wie wir die Prozesswärme direkt rückgewinnen und nutzen können“, sagt Dietrich. Für den Einsatz im Markt müsse die nächste Aufbaustufe erreicht und die Qualitätsanforderungen der abnehmenden Unternehmen erfüllt werden. NECOC bietet die Chance, das konventionelle Herstellungsverfahren des schwarzen Pulvers auf Basis von fossilen Rohstoffen, wie Erdöl, durch ein nachhaltiges Herstellungsverfahren in Verbindung mit negativen Emissionen zu ersetzen. Ein Doppelnutzen für die Umwelt. Projektkoordinator Dietrich gibt einen weiteren Ausblick: „Neben der Luft als Quelle für das CO2 zur Erzeugung negativer Emissionen sind auch weitere Quellen denkbar, wie zum Beispiel stark emittierende Industriebetriebe, die direkt an den Prozess angekoppelt werden könnten. Überall dort, wo die CO2-Vermeidung bereits ausgereizt ist oder Emissionen schlichtweg unvermeidbar sind, wie zum Beispiel bei der Zementherstellung, ist das direkte Abzweigen des Kohlenstoffdioxids eine Zukunftslösung.“

 

Weiterführende Links

 

Bilder: KIT

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