• Klima, Umwelt und Gesundheit
  • Materialien

Natur beflügelt: Entzündungen mit Nanostrukturen vorbeugen

Wie sich die Ausgründung nanoshape von den Eigenschaften eines Libellenflügels inspirieren lässt, um das Entzündungsrisiko bei Implantaten zu senken.



Das Team von Nanoshape möchte die Verträglichkeit von Implantaten verbessern: Mit ihrer Technologie zur Oberflächenveränderung können sie das Entzündungsrisiko von Implantaten senken.   Das Gründungsduo Litsy Hüschelrath (2. v. l.) und Patrick Doll (3. v. r.) wird dabei tatkräftig von ihren Studierenden unterstützt.
Das Team von Nanoshape möchte die Verträglichkeit von Implantaten verbessern: Mit ihrer Technologie zur Oberflächenveränderung können sie das Entzündungsrisiko von Implantaten senken. Das Gründungsduo Litsy Hüschelrath (2. v. l.) und Patrick Doll (3. v. r.) wird dabei tatkräftig von ihren Studierenden unterstützt.

Vom Kompliment zur Komplikation

Schöne Zähne gelten in unserer Gesellschaft zunehmend als Statussymbol, denn der erste Eindruck ist vielen Menschen wichtig. Ein hübsches Lächeln und ein gepflegtes Aussehen sind Komplimente, die mit gesunden, geraden und weißen Zähnen einhergehen. Nicht verwunderlich ist daher die stetig steigende Zahl an eingesetzten Zahnimplantaten. Waren es in Deutschland vor rund 25 Jahren noch etwa 380.000 Implantate jährlich, sind es inzwischen rund 1,5 Millionen Zahnimplantate pro Jahr. Ein Nonplusultra für makelloses Auftreten und verbesserte Lebensqualität also? „Medizinische Implantate sind nicht mehr wegzudenken, sie funktionieren gut. Aus vielen Gesprächen, die wir mit Betroffenen führen, hören wir aber oft den Satz: ‚Ich hatte ein Problem mit meinem Implantat.‘ Obwohl es einen etablierten Stand der Technik gibt, bergen Implantate immer das Risiko einer Komplikation. Bakteriell bedingte Entzündungen sind eine der häufigsten Ursachen“, erklärt Dr.-Ing. Patrick Doll, Mitgründer der nanoshape GmbH. Die eingesetzten Implantate werden in der Regel aus Titan gefertigt und sandgestrahlt oder geätzt. Die dadurch entstehende Struktur fördert das Einwachsen in den Knochen, kann aber Bakterien nicht davon abhalten, sich anzusiedeln und einen sogenannten Biofilm zu bilden, was wiederum zu einer Entzündung führen kann. Bereits erforschte Ansätze wie das Beschichten der Implantate mit Antibiotika oder Silber haben sich bisher nicht durchgesetzt. Gemeinsam mit seiner Mitgründerin Litsy Hüschelrath hat Doll einen neuen Ansatz entwickelt, der das Entzündungsrisiko deutlich verringern kann. Das Gründungsduo fokussiert sich vorerst auf Zahnimplantate, die Technologie ist aber auf unterschiedlichste Implantate und andere Anwendungsbereiche außerhalb der Medizintechnik anwendbar.

Die Veränderung der metallischen Oberfläche erfolgt auf Nanoebene durch ein spezielles Hochdruckoxidationsverfahren.
Die Veränderung der metallischen Oberfläche erfolgt auf Nanoebene durch ein spezielles Hochdruckoxidationsverfahren.

 

Die Libelle als Inspirationsquelle

„Das Besondere an unserer Technologie ist die Veränderung der metallischen Oberflächenstruktur der Implantate auf Nanoebene durch ein spezielles Hochdruckoxidationsverfahren. Dadurch erhält die Oberfläche ganz ohne Zusatzstoffe eine Bakterien abweisende Wirkung. Wir erzeugen damit praktisch einen passiven Effekt“, erklärt Doll. Entstanden ist die Idee im Rahmen seiner Doktorarbeit am KIT. „Ich habe von 2015 bis 2019 zum Thema Mikro- und Nanostrukturierung von Zahnimplantaten am KIT promoviert. Gegen Bakterien mit Nanotechnik anzugehen, war zu der Zeit ein regelrechter Hype. Relativ neu war hingegen der Ansatz der bioinspirierten, antibakteriellen Oberflächen. Und wie es in vielen Projekten üblich ist, probiert man sehr viele Dinge aus und kommt irgendwann zur ersehnten Lösung“, erinnert sich der Entwicklungsingenieur. „Ich habe mich dabei von der Natur inspirieren lassen, vom Flügel einer Libelle“, so Doll weiter. Der Insektenflügel weist eine antibakterielle Wirkung auf, da sich dort speziell geformte Nanostrukturen befinden. „Bakterien sind nur wenige Mikrometer groß. Die Oberfläche der Flügel ist mit sehr kleinen Strukturen versehen, die nochmal etwa um ein Zehnfaches kleiner sind als die Bakterien selbst. Dadurch haben diese weniger Angriffsfläche und haften nicht so gut, teilweise sterben sie beim Kontakt mit der Flügeloberfläche sogar ab“, erklärt Mitgründerin Hüschelrath. Diesen Effekt macht nanoshape sich zunutze, indem sie die Struktur des Libellenflügels adaptiert. Mittels Hochdruckoxidationsverfahren erzeugen die forschenden Gründer die besondere Nanostruktur auf der Oberfläche. Bei dem Verfahren wird durch hohen Druck und hohe Temperaturen eine Oberflächenumwandlung der Metallbauteile hervorgerufen. Das Resultat ist eine zackenartige Struktur, die kleiner ist als die Bakterien und damit den gleichen antibakteriellen Effekt erzeugt wie bei den Libellen.

 

Seit 2024 hat das Team in der Technologiefabrik Karlsruhe sein eigenes Labor.
Seit 2024 hat das Team in der Technologiefabrik Karlsruhe sein eigenes Labor.

Von der Larve zur Libelle – Status quo

Die Ergebnisse der ersten Versuche waren vielversprechend. „Wir haben unsere Technologie biologisch sehr breit mit verschiedenen Bakterien getestet und auch mit der Reaktion auf den Libellenflügeln verglichen“, beschreibt Hüschelrath das bisherige Vorgehen. Ende 2024 haben die Jungunternehmer mit dem Aufbau einer Pilotanlage und der Durchführung einer klinischen Studie begonnen. „Wir haben uns für eine Kooperation mit einer Uniklinik entschieden, die auf den Bereich Zahnmedizin spezialisiert ist. Im Laufe des Jahres 2025 rechnen wir mit ersten Ergebnissen aus der Studie“, so Hüschelrath weiter. Ein wichtiger Schritt, um neue Prozesse innerhalb der Medizintechnik zu etablieren und damit den Weg in den Markt zu ebnen. Im Fokus des Gründungsteams sind herstellende Unternehmen von Implantaten. Diese besitzen in der Regel eigene Produktionsketten für die Herstellung, Bearbeitung und Oberflächenbehandlung der Metallteile im Mikrostrukturmaßstab. „Unsere Technologie kann man sich als nachgelagerten Schritt vorstellen, in dem die Implantate dann im Nanomaßstab veredelt werden. Langfristig soll diese Veredelung in Form von eigenen Anlagen innerhalb der Produktionskette bei den Herstellern erfolgen“, beschreibt Hüschelrath die Zukunftsvision. Ein Ausblick, der nicht nur Hoffnung für Betroffene, sondern auch eine Entlastung für das Gesundheitssystem verspricht. Alleine in Deutschland fallen jährlich Zusatzkosten in Milliardenhöhe durch entzündete Implantate jeglicher Art an, die Arbeitsausfälle und Zusatzoperationen bedingen. „Ursprünglich haben wir unsere Technologie für Zahnimplantate entwickelt, sie lässt sich aber problemlos auf weitere Implantate adaptieren. Wenn wir erfolgreich zeigen, dass die Nanostruktur funktioniert und das Entzündungsrisiko gemindert wird, kann damit bestenfalls ein neuer Stand der Technik etabliert werden. Wir möchten den Markt der Implantate revolutionieren“, ergänzt Doll.

 

Weiterführende Links:

 

Bilder:

  • sarayuth3390 / iStock.com
  • Amadeus Bramsiepe / KIT

Diese Seite nutzt Website-Tracking-Technologien von Dritten, um ihre Dienste anzubieten. Ich bin damit einverstanden und kann meine Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder ändern.

Alle akzeptieren Einstellungen Nur notwendige akzeptierenImpressumDatenschutz