„Den Elektroautos gehört die Zukunft“ – so kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Mai 2011 den zweiten Erfahrungsbericht der nationalen Plattform Elektromobilität. Und identifizierte die Batterieherstellung als eine von zwei großen Herausforderungen, um zum asiatischen Markt aufzuschließen und Leitmarkt im Bereich der Elektromobilität zu werden. Ein Ziel, für das KIT-Professor Dr.-Ing. Horst Hahn, Dr. Andreas Gutsch und Dr. Olaf Wollersheim Lösungen anbieten können: als Gründer, Leiter, Netzwerker und Koordinatoren von „Competence E“.
Das Großprojekt will nicht nur grundlegende Fragen zum Aufbau und zur kostengünstigen Herstellung von Batterien und Elektromotoren beantworten, sondern versucht sich auch an einer neuen Dimension der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.
61,7 Millionen Autos wurden 2010 weltweit abgesetzt, jeder fünfte Wagen kam aus deutscher Produktion. „Damit deutsche Hersteller Leitanbieter für die Elektromobilität werden können, müssen die Forschungseinrichtungen in Deutschland notwendige Grundlagen und Infrastruktur schaffen“, sagt Olaf Wollersheim für das Projekt Competence E. Forschung an Materialien für Lithium-Ionen-Batterien, Batterie-Management-Systemen oder Produktionstechniken finde zwar an mehreren Stellen in wissenschaftlichen Einrichtungen statt. Es fehle jedoch an einer fachübergreifenden Verbindung zwischen Grundlagenforschern aus verschiedenen Disziplinen und Ingenieuren für die Produktentwicklung und die Produktionsforschung, um zu systemisch optimalen Lösungen für den Antriebsstrang zu kommen, die dann auch kostengünstig gefertigt werden können.
„Am KIT mahen wir exzellente Forschung für die Anwendung und nicht für die Schublade.“
Der industrieerfahrene Projektkoordinator Andreas Gutsch hat deshalb im Januar 2011 begonnen, alle Kompetenzen im Bereich Elektromobilität am KIT zu identifizieren und miteinander zu verbinden. Wie auf einem strategischen Spielbrett können nun Ressourcen kombiniert werden, um Technologien zu entwickeln und an den Markt zu bringen. Praktisch heißt das: 300 Wissenschaftler aus 26 wissenschaftlichen Instituten sind in einem „Know-how-Pool“ erfasst. Technologische Herausforderungen werden nicht mehr traditionell in fachlich homogenen Arbeitsgruppen mit dem eigenen Fokus untersucht. Lösungen werden fachübergreifend von Elektrotechnikern, Chemikern, Physikern, Materialwissenschaftlern oder Maschinenbauern entwickelt: „Wir denken nicht in Kathode oder Anode, wir denken direkt an die Zelle und das Gesamtsystem Antriebsstrang im Fahrzeug“, erklärt Professor Horst Hahn, Direktor des Instituts für Nanotechnologie am KIT.
Die Entwicklung neuartiger, kostengünstiger, leistungsfähiger und zugleich zuverlässiger Energiespeicher ist realistisch. Die technologischen und wirtschaftlichen Anforderungen an Energiespeicher für Einsätze im mobilen Bereich sind außerordentlich ambitioniert. Zu ihrer Entwicklung werden in den nächsten Jahren allerdings noch erhebliche Anstrengungen erforderlich sein.
Aus dem nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität der Bundesregierung
Institutsleiter Hahn und der damalige Geschäftsführer des Batterieherstellers Li-Tec Gutsch sind die geistigen Väter von Competence E. Mit seinem Wissen über die Problemstellungen in der Industrie erkannte Gutsch bei einem Besuch am KIT das Potential einer Erfindung von Dr. Wilhelm Pfleging und seinem Team für die Automobilindustrie. Der Physiker beschäftigt sich vor allem mit der Laserprozesstechnik, der Oberflächenfunktionalisierung und der Erzeugung winziger Mikro- und Nanostrukturen – die Anwendungsbereiche sind kaum zählbar, für die Wissenschaftler aber oft im Detail nicht greifbar.
Gutsch wusste, dass bei der Batterieproduktion bislang viel Zeit und Aufwand darauf verwendet wird, den Elektrolyten möglichst bis in die kleinste Pore zu ziehen und so die Batterieleistung zu maximieren. Der Physiker Pfleging hat dafür ein Verfahren bereitgestellt: „Wir wussten bis dahin gar nicht, wie bahnbrechend das auch für die Batterieherstellung sein kann.“ Durch Mikrostrukturierung wird der Elektrolyt wie in einem extrem saugfähigen Schwamm bis in die kleinsten Poren der Elektroden gezogen – sehr viel schneller und kostengünstiger als das bisher der Fall ist. Die Hersteller könnten mit der Technologie Ausschussraten und Produktionszeiten minimieren. Für den Schritt vom reinen Potential zum Produktionsverfahren suchen Wollersheim, Gutsch und Pfleging nun gemeinsam nach Industriepartnern. Mit guten Argumenten: „Das KIT ist der einzige Standort in Deutschland, an dem man Elektromobilität auf einem Systemlevel anpacken kann und das ist eine notwendige Voraussetzung, um realistische Herstellungsverfahren für die nahe Zukunft zu entwickeln“, sagt Chemieingenieur Gutsch.
Mit dem Team um Wilhelm Pfleging solle nur das erste einer Reihe von Projekten umgesetzt werden, die den Blick auf die Kraftfahrzeuge der Zukunft verändern: „Am KIT machen wir exzellente Forschung für die Anwendung und nicht für die Schublade.“