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Licht am Ende der Membran

Schluss mit unsichtbaren Verunreinigungen: Wie Forschende des KIT Hormone effizient aus Wasser entfernen und damit zukünftig sauberes Trinkwasser garantieren möchten.

Zwei Beteiligte arbeiten im Labor.


Beim Thema Hormone denken viele an den weiblichen Zyklus und die Antibabypille. Die winzigen Moleküle steuern jedoch viele Funktionen des menschlichen Körpers. Hormone kommen überall dort vor, wo Menschen und Tiere sind. Sie werden auf natürliche Weise ausgeschieden, in der Landwirtschaft oder bei medizinischen Therapien und Produkten verwendet. Ihre Eigenschaften sind mindestens so vielfältig, wie ihr Vorkommen. Sie regeln unter anderem den Energie- und Wasserhaushalt des menschlichen Körpers, tragen zum Wachstum und zur Fortpflanzung bei. Sie können in Medikamenten Lebensretter für Betroffene mit schweren Krankheiten sein, können aber genauso Krankheiten auslösen oder die Fruchtbarkeit beeinflussen. Schlaf- und Stoffwechselstörungen, Depressionen oder Nierenversagen sind nur einige von vielen Beispielen. Fakt ist: Hormone sind winzige, aber komplexe Moleküle, die nicht unterschätzt werden dürfen. Schon in geringen Mengen können sie Einfluss auf die grundlegenden menschlichen Funktionen nehmen.

 

Aufbau einer photokatalytische Membranfiltrationsanlage.
Forschende des KIT haben eine photokatalytische Membranfiltrationsanlage zur Entfernung von Steroidhormonen aus Abwässern entwickelt.

Diese geringen Mengen nehmen die Menschen nicht nur bewusst durch beispielsweise Medikamente auf, sondern häufig auch unbewusst über verunreinigtes Wasser. „Wir verzeichnen seit Jahren einen beständigen Anstieg an Mikroverunreinigungen im Wasser. Das sind neben Pharmazeutika, Bioziden und anderen Chemikalien auch Hormone, beispielsweise durch das Ausscheiden über den Urin, das Ableiten von Industrieabwässern oder aus Rückständen in der Landwirtschaft“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Andrea Iris Schäfer, Leiterin des Instituts für Advanced Membrane Technology (IAMT) des KIT. Nanofiltration und Umkehrosmose haben sich als effiziente Methode für die Entfernung diverser Schadstoffe aus Wasser erwiesen, gelangen jedoch bei Hormonen an ihre Grenzen. Hormone sind relativ klein, zudem neutral und nicht über eine Ladung herauszufiltern, wie das bei vielen anderen Pharmazeutika praktiziert wird. „Es ist faszinierend, dass Hormone im menschlichen Körper eine so präzise Arbeit leisten können. Sie sind pünktlich in der gefragten Menge am richtigen Ort, um bestimmte Funktionen zu erfüllen. Die Hormone aber ebenso präzise aus Gewässern zu entfernen, ist bislang nicht möglich“, so Schäfer.

 

Um diese Stoffe zunächst aus verschiedenen Wasserströmen effektiv zu entfernen, hat sich das IAMT die Entwicklung entsprechender Verfahren zur Wasserreinigung zum Ziel gemacht. In Kooperation mit einem Team aus Forschenden des Leibniz-Instituts für Oberflächenmodifizierung (IOM) in Leipzig werden Membranen modifiziert und gezielt für die Entfernung von Steroidhormonen entwickelt. „Wir machen uns bei dem Ansatz eine Technologie aus der Photokatalyse zunutze. Die Membranen werden am IOM beschichtet“, erklärt Schäfer. Diese Titandioxid-Nanopartikel auf und in den Membranporen sorgen bei Lichteinfall für eine chemische Reaktion, bei der die Hormone zersetzt und abbaubar gemacht werden. Entstanden ist somit eine photokatalytische Membranfiltrationsanlage, die Steroidhormone im kontinuierlichen Durchfluss entfernt. Das Verfahren ist nicht nur energieeffizient, sondern verringert auch die Hormonkonzentration im gefilterten Wasser. „Auch, wenn wir noch mitten in der Forschung stecken, ist unsere Technologie ein großer Meilenstein und eine wichtige Grundlage für die zukünftige Wasserreinigung. Die aktuelle Trinkwasserrichtlinie der WHO liegt für das Hormon Estradiol bei 1 Nanogramm pro Liter. In der Regel werden um die 100 Nanogramm pro Liter in behandelten Abwässern nachgewiesen, was bedeutet, dass wir 99 Prozent entfernen müssen. Eine Herausforderung, der wir nun begegnen können“, beschreibt Schäfer das Potenzial der Technologie.

 

Porträt von Prof. Dr.-Ing. Andrea Iris Schäfer, Leiterin des Instituts für Advanced Membrane Technology (IAMT)
Prof. Dr.-Ing. Andrea Iris Schäfer, Leiterin des Instituts für Advanced Membrane Technology (IAMT)

Die Forschenden arbeiten mit vielen Kooperationspartnern im In- und Ausland daran, ihre Technologie weiterzuentwickeln und diese auch für andere Schadstoffe nutzbar zu machen. „Es gibt weiterhin Schadstoffe, die noch immer nicht abbaubar sind, unter anderem die ‚Forever Chemicals‘. Das sind Industriechemikalien wie Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS). Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, und versuchen zu verstehen, wie wir solch stabile chemische Verbindungen angreifen können“, so Schäfer. Parallel beschäftigt sich das Forschungsteam aber auch mit der Skalierung der Technologie für den industriellen Maßstab und sucht nach geeigneten Industriepartnern. Hier ist das Einbringen von Licht in Membranmodulen eine große Herausforderung, die das Team mit Kooperationspartnern wie Prof. Bryce Richards vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) und dem Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT bearbeitet. Die photokatalytische Membranfiltrationsanlage eignet sich für ein breites Feld an Anwendungsbeispielen, von der Wasseraufbereitungsanlage hin zur Aufarbeitung von Konzentraten, wie sie mit anderen Verfahren anfallen.

 

Ob Weiterentwicklung oder Industrieskalierung: Für die Forschenden steht das Ziel von sauberem Trinkwasser im Fokus. „Die Trinkwasserqualität in Deutschland ist in der Regel sehr gut, in anderen Ländern sieht das aber ganz anders aus und zunehmende Verunreinigung betrifft uns alle. Die Wasserverschmutzung ist und bleibt ein globales Kernthema, denn sie nimmt weiter zu. Wir können Wasser nicht herstellen, wir können es nur saubermachen. Wenn wir Mikroverunreinigungen wie Hormone nicht effizient entfernen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir sie durch das Trinkwasser aufnehmen“, warnt Schäfer.

 

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Bilder: Amadeus Bramsiepe / KIT

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