Qinu
Beim Unternehmensnamen Qinu haben sich die Gründer von der Sprache der Inuit inspirieren lassen. Qinu ist eines der 52 Wörter in Inuktitut für Schnee und Eis und damit eine Verbildlichung für kalt.
Im Labor bewiesen
Kryostate zur Kühlung im extremen Kältebereich sind nichts Neues. Die Technik wurde bereits in den 60er Jahren entwickelt, bislang jedoch nur im Forschungsumfeld eingesetzt. Die zunehmende Leistungsfähigkeit neuer Technologien erfordert jedoch kontinuierlich effizientere und leistungsstärkere Kühlsysteme. Insbesondere im Bereich aufstrebender Quantentechnologien wie Computing, Sensorik und Kommunikation sind extrem niedrige Temperaturen eine grundlegende Voraussetzung für den Betrieb. Den Grundstein der Kommerzialisierung solcher Kryostate legte Prof. Dr. Wolfgang Wernsdorfer, Humboldt-Professor am Physikalischen Institut (PHI) des KIT und Mitgründer von Qinu, mit seinem Forschungsschwerpunkt kleinerer, kompakterer und vor allem effizienterer Kryostate. „Ich bin als Doktorand bei Prof. Wernsdorfer mit in das Thema eingestiegen und habe durch den Kontakt zu anderen Forschenden schnell gemerkt, dass die Nachfrage nach Kryostaten zunimmt und das Potenzial für die kommerzielle Nutzung riesig ist“, beschreibt Marcel Schrodin, Mitgründer und Geschäftsführer bei Qinu, den Anreiz zur Gründung des Unternehmens.
Eiskalt gegründet
Die Idee der Gründung war schnell geboren. Mit einem Prototyp sind die Gründer in die Umsetzung gestartet. „Wir haben ohne fertiges Produkt relativ schnell gegründet, mit dem Ziel, aus dem vorhandenen Prototyp einen marktfähigen Kryostaten zu entwickeln. Wir haben uns damit beschäftigt, wie wir unter Berücksichtigung der Sicherheitsbestimmungen und unter Einhaltung aller Vorgaben schneller kühlen können. Wir wollten dabei noch einfacher und günstiger fertigen“, beschreibt Schrodin die Schritte. Neben der Praktikabilität hatte für das Gründerteam auch die Funktionalität oberste Priorität. „Wir können nicht davon ausgehen, dass unsere Kunden gelernte Kryotechniker sind und das System sofort verstehen. Die wollen auf einen Knopf drücken und dann muss das funktionieren. Deshalb war die Automatisierung für uns von Anfang an unumgänglich“, so Schrodin weiter.
Mit guten Argumenten auf den Markt
Mit entsprechenden Sensoren für die Regelung und Steuerung und einer umfangreichen Überarbeitung der integrierten Software hat das Team einen marktfähigen Kryostaten entwickelt, der Temperaturen bis -273,14 Grad Celsius erreicht und damit nur 0,01 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt liegt. „Wir haben den erfolgreichen Transfer von der Forschung in die Anwendung geschafft. Für den Markt sind vor allem drei Merkmale interessant: unsere kompakte Bauweise, die schnelle, effiziente Kühlung und die überarbeitete Hardware zur günstigeren Fertigung. Zusätzlich sind wir auch ressourcensparender im Hinblick auf Stromverbrauch und Nutzung von kryogenen Gasen, wie Helium“, beschreibt Schrodin die Alleinstellungsmerkmale der jungen Firma.
Herkömmliche Kryostate sind so aufgebaut, dass die wärmste und räumlich größte Kühlstufe oben angeordnet ist und die kälteste und kleinste Kühlstufe unten. Bildlich dargestellt sind herkömmliche Kryostate daher trichterförmig aufgebaut und „hängen“ von der Decke. Die Qinu-Gründer haben dieses Design wortwörtlich auf den Kopf gestellt und die Anordnung der Kühlstufen umgekehrt. Damit vereinfachen sie die Nutzung in quantentechnologischen Anwendungen. „Diese bestehen in der Regel aus Experimenten, die auf optischen Tischen erfolgen. Ein von der Decke hängender Kryostat ist darauf nur schwer zu integrieren, unser System hingegen kann stehend auf Tischen befestigt werden“, erklärt Schrodin. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die schnelle, effiziente Kühlung des Qinu-Systems. „Andere Systeme erreichen ähnliche Kühltemperaturen, brauchen dafür aber deutlich länger. Von Raumtemperatur bis Betriebstemperatur zum Einsatz des Systems benötigen unsere Kryostate etwa drei Stunden. Damit sind wir circa sechs- bis achtmal schneller als andere Hersteller. Dieser Zeitvorteil ist vor allem für kurzfristige Charakterisierungen in der Forschung interessant“, erklärt Schrodin. Die starke Kühlleistung von Qinu resultiert aus der kleineren Größe und den verbauten technischen Komponenten. Im Qinu-System überwachen eingesetzte Regelungs- und Steuerungssensoren die Temperatur und ermöglichen den Übergang in die nächste Kühlstufe, sobald die erforderliche Temperatur erreicht ist.
Klare Vision
Dass Qinu ein wichtiger und erfolgreicher Schritt zur Unterstützung der Quantenforschung ist, spiegelt sich im Feedback wider, welches das Team auf unterschiedlichen Wegen erreicht. Erste Systeme haben sie bereits ausgeliefert und sind aktuell dabei, die Produktion hochzufahren. „Wir führen Gespräche mit Investoren aus aller Welt. Das zeigt uns, dass unser System gebraucht wird und wir eine Schlüsseltechnologie für die Quantenforschung entwickelt haben. Unsere derzeitigen Kunden kommen überwiegend aus Europa. Wir analysieren aber die internationalen Märkte, um deren Herausforderungen – wie Zertifikate, Sicherheitsbestimmungen und andere elektrische Spannungen – zu lösen und zeitnah das erste internationale System anzubieten“, beschreibt Schrodin. Das Team von Qinu ist mittlerweile auf 16 Personen angewachsen und blickt zuversichtlich in die Zukunft. Ihr Ziel ist es, die Entwicklungen in der Quantenforschung mit kühlem Kopf und geballtem Know-how voranzutreiben.
Bilder: Amadeus Bramsiepe / KIT