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REVOLUTIONÄRER SPIN

Forschende des KIT entdecken eine neue Möglichkeit der Magnetresonanztomographie (MRT), die das Erstellen von Kernspintomogrammen revolutionieren könnte.



MRT ja, aber…

Die Magnetresonanztomographie ist ein medizinisches bildgebendes Verfahren, das seit vielen Jahren zur Identifikation krankhafter Veränderungen im Körper, beispielsweise Entzündungen, Verschleißerscheinungen oder Tumoren in weichem Gewebe, eingesetzt wird. Das Verfahren kommt ohne gesundheitsschädliche Strahlen aus, eine gute und klare Diagnose ist allerdings anspruchsvoll. Radiologische Fachkräfte müssen bei jeder Untersuchung zwischen einer ausreichend guten Qualität der erzeugten Tomogramme sowie einer angemessen kurzen Messzeit dieses kostspieligen Verfahrens abwägen. Die Energie eingesetzter Radiowellen kann bei zu langen Untersuchungen zur Erhitzung der Körperzellen der behandelten Person führen und langfristige Schäden verursachen. Hinzu kommt, dass nicht alle Untersuchungen ohne Kontrastmittel auskommen. Insbesondere wenn das untersuchte Gewebe im Bild homogene Grautöne erzeugt, wird ein Kontrastmittel benötigt, um die Aussagekraft des Bildes zu verbessern. Genutzt wird oft das Schwermetall Gadolinium, das zwar wasserlöslich ist, sich aber langfristig im Körper ablagern kann. Forschende des KIT haben nun gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern aus Deutschland und den USA Entdeckungen gemacht, die das aktuelle MRT-Verfahren im Sinne des Gesundheitswohls der Menschen revolutionieren könnte.

 

Zwei Menschen in weißen Kitteln, welche sich vor einer Maschine unterhalten.
Der RASER-MRT-Ansatz basiert auf einer spontanen Emission ohne zugesetzte Radiowellen. Die dafür notwendige negative Spinordnung erzeugen die Forschenden mittels Hyperpolarisation. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Ohne Radiofrequenz zu besseren Ergebnissen

Ein herkömmliches MRT-Bild, auch bekannt als Kernspintomogramm, entsteht in drei Schritten. Die zu behandelnde Person wird liegend in ein röhrenartiges MRT-Gerat geschoben, in dessen Inneren ein starkes Magnetfeld herrscht. Dieses richtet zunächst die Kernspins der im Körper vorhandenen Wasserstoffatome aus, ähnlich wie bei kleinen Magneten. Im zweiten Schritt werden diese durch präzise abgestimmte Radiowellen gekippt. Diese kurzzeitige Veränderung erzeugt – abhängig von der Zusammensetzung des Gewebes – unterschiedliche Signale, während sich die Spins wieder am Magnetfeld ausrichten. Diese Signale werden im dritten Schritt mithilfe von magnetischen Feldgradienten ortskodiert, von einem Computer aufgezeichnet und in ein graustufiges Bild umgewandelt.

 

Der vom KIT vorgestellte, neuartige RASER-MRT-Ansatz (radio-frequency amplification by stimulated emission of radiation) folgt denselben drei Untersuchungsschritten, weist jedoch zwei entscheidende Unterschiede auf. Im zweiten Untersuchungsschritt wird das Signal bei Radiowellen durch stimulierte Emission, ähnlich wie bei einem Laser, erzeugt. Dadurch kommt es ohne externe, gepulste Radiowellen aus. Die Detektion verläuft im Prinzip wie bei herkömmlichen MRT-Aufnahmen. Damit die spontane Emission im zweiten Schritt funktioniert, erzeugen die Forschenden die notwendige negative Spinordnung mittels Hyperpolarisation, um die Kernspins der Moleküle auszurichten. „In der Anwendung können dies zum Beispiel molekulare Kontrastmittel wie Pyruvat sein“, erklärt Dr. Sören Lehmkuhl, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich NMR-Mikrotechnologien für Bildgebung und Spektroskopie am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT). Das molekulare Kontrastmittel wird mithilfe eines Katalysators hochmagnetisiert und der zu behandelnden Person gespritzt, bevor sie in das MRT-Gerät geschoben wird. Es magnetisiert sich in die entgegengesetzte Richtung zum äußeren Feld und erzeugt dadurch im Körper einen deutlich höheren energetischen Ausgangszustand. Das Signal entsteht somit spontan ohne Anregung, da die Spins von selbst kippen, um sich entlang des Magnetfeldes auszurichten. Neben der Messung ohne Radiofrequenzanregung ermöglicht die RASER-Technologie zudem detailliertere Bildergebnisse. „Da das Signal länger und stärker ist als bei herkömmlichen MRT-Verfahren, ist auch die erreichte Auflösung größer. Für radiologische Fachkräfte bedeutet das im Umkehrschluss, dass sie dadurch sicherere Aussagen zu möglichen Erkrankungen treffen könnten, zum Beispiel, indem sie am Metabolismus erkennen, ob eine Krebstherapie wirksam ist, oder angepasst werden muss“, erklärt Lehmkuhl.

 

 

 

Forscherin arbeitet am NMR des Instituts.
Die Hyperpolarisation ist Bestandteil des RASER-MRT-Verfahrens. Das Forschungsteam hyperpolarisiert Proben am eigenen NMR. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Von der Theorie in die Praxis

Was die Forschenden in ersten Proof-of-Principle- Experimenten aufzeigen konnten, haben sie theoretisch ausgearbeitet und publiziert. Im nächsten Schritt wollen sie die Technologie weiterentwickeln und den Ubergang von der Grundlagenforschung zur Anwendung vorantreiben. „Wir haben angefangen, RASER auf einem MRT-Gerat zu messen. Eine große Herausforderung ist die RASER-Schwelle, die für eine spontane Emission überwunden werden muss. Für das spontane Signal brauchen wir eine gewisse Menge an negativer Polarisation sowie einen Resonator mit entsprechender Güte. Übertragen auf unsere Forschung bedeutet das, dass wir sowohl die Hyperpolarisationstechnik als auch die Miniaturisierung der Detektoren weiterentwickeln müssen“, beschreibt Lehmkuhl die nächsten Schritte. Neben den entwicklungstechnischen Herausforderungen ist auch die Zulassung von molekularen Kontrastmitteln ein wichtiger Punkt. „Für hyperpolarisiertes Pyruvat gibt es in Deutschland derzeit keine Zulassung, aber bereits in die Wege geleitete Genehmigungsprozesse, zum Beispiel von der Universität Heidelberg. Das Potenzial von hyperpolarisierten Kontrastmitteln ist groß, daher bin ich zuversichtlich, was die Zulassung betrifft“, ergänzt Lehmkuhl.

Gruppenfoto des sechsköpfigen Forschungsteams im Labor.
Das Forschungsteam rund um Dr. Sören Lehmkuhl am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT): Dr. Sören Lehmkuhl, Jakoba Wacker, Simon Fleischer, Elene Aslanikashvilli, Leon Middendorf und Ahmed Hasaneen (v.l.n.r.) (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Um die bestehenden Hürden zu überwinden und den Transfer in die Gesellschaft zu ermöglichen, kooperieren Lehmkuhl und sein Team mit unterschiedlichen Partnern. „Deutschland ist extrem stark in der theoretischen Ausarbeitung sowie der Umsetzung von präklinischen Studien. In den USA wiederum ist der Fokus ganz klar der Schritt in die Anwendung. Unsere breit gefächerten Kooperationen ermöglichen es uns, die Technologie auf gesamtheitlicher Ebene weiterzuentwickeln, um sie eines Tages in die Anwendung zu bringen. Unser Wunsch ist die Implementierung in bestehende MRT-Gerate, denn das ist machbar und für den Markt attraktiv. Keine Radiofrequenzeinstrahlung bedeutet weniger Hardware am MRT-Scanner und damit einen geringen Aufwand für die Abrüstung und den Umbau bestehender Geräte“, prognostiziert Lehmkuhl. Bis das RASER-basierte MRT Anwendung findet, dürften noch einige Jahre vergehen. Schon jetzt ist jedoch klar, dass es das klassische MRT-Verfahren revolutionieren könnte und einen Hoffnungsschimmer für schnellere, genauere und gesundheitlich unbedenkliche Diagnostik bietet.

 

Weiterführende Links

 

Bilder: Amadeus Bramsiepe / KIT

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