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COMPUTATIONAL DESERT

Wie Prof. Mehdi Tahoori neue Funktionen für smarte Produkte mittels gedruckter Elektronik ermöglichen möchte.

Hand hält gedruckte Elektronik.


Ist die Milch noch frisch?

Eine Milchpackung mit Frischesensor, der Handelsunternehmen und Endkonsumierenden den Frischegrad anzeigt. Ein Temperatursensor auf der Weinflasche, der die optimale Trinktemperatur überprüft. Ein Pflaster, das die behandelte Person benachrichtigt, wann die Wunde ausreichend geheilt ist. Das sind mögliche Beispiele von smarten Produkten der Zukunft. „Auf den ersten Blick denken viele, dass das kein Mensch braucht. Andererseits haben wir vor 20 Jahren auch nicht die Vision gehabt, dass Smartphones unabdingbar werden und dass man die vielfältigen Funktionen auf ein so kleines Gerät bekommt. Anfangs konnte man damit telefonieren und ein Bild machen, aber inzwischen machen wir damit alles Mögliche, sodass Smartphones aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind“, sagt Prof. Dr. Mehdi Tahoori, Lehrstuhlinhaber für verlässliches Nano-Computing (CDNC) am Institut für Technische Informatik (ITEC) des KIT.

 

Smarte Produkte von morgen einfach drucken?

Gemeinsam mit dem Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT sowie einigen internationalen Universitäten hat sich Tahoori die Verbreitung von schnellen, kostengünstigen und zuverlässigen (Mini-)Computern für oben genannte Anwendungsszenarien zur Aufgabe gemacht. „Für diese smarten Produkte braucht es Minisensoren, die eine Menge an Daten speichern und zuverlässig auslesen können“, erklärt Tahoori. Heute eingesetzte Miniprozessoren oder Chips in elektronischen Geräten wie Smartphones oder Smartwatches basieren auf Siliziumtechnologien. Diese bestehen aus einer sehr großen Anzahl von Komponenten und Transistoren, was sie zu sehr komplexen Systemen macht. „Für die sehr kostengünstigen Produkte, an die wir denken, stößt die Siliziumtechnologie an ihre Grenzen. Sie erfordert sehr komplexe Herstellungsverfahren, die enorm kostenintensiv sind. Selbst die kleinsten Siliziumchips, zum Beispiel Java Cards oder RFID-Tags, sind in der Herstellung zu teuer für unser Vorhaben. Wenn wir an Produkte wie ein intelligentes Pflaster oder eine Milchtüte mit Frischesensor denken, dann müssen wir die Elektronikkomponenten sehr kostengünstig anbieten, damit das Endprodukt dadurch nicht teurer wird. Das ist mit der Siliziumtechnologie schlicht und einfach nicht möglich“, so Prof. Tahoori.

Im Projekt PRICOM (printed computing) fokussieren sich Tahoori und sein Team daher auf die Entwicklung neuer Rechnerarchitekturen, die nicht auf Siliziumchips, sondern auf gedruckter Elektronik basieren. „Die additive Fertigung ermöglicht das Produzieren in geringen Mengen mit einem kleinen Drucker zu günstigen Konditionen, weil man nicht von großen teuren Produktionsprozessen der Siliziumtechnologie abhängig ist“, beschreibt Tahoori das Potenzial. Zudem können Sensoren, die mit gedruckter Elektronik ausgestattet sind und direkt in das jeweilige Produkt implementiert werden, mehr Komponenten integrieren, Informationen besser aufbereiten und diese für die Nutzerinnen und Nutzer visualisieren.

 

Neue Art von Berechnungen als Herausforderung

So einfach die Umsetzung zunächst scheint, ist sie dann jedoch nicht. Die additive Fertigung ist in ihrer derzeitigen Form für die Herstellung solcher Minicomputer nicht einsatzfähig. „Es gibt zwar Ansätze, Sensoren mithilfe der additiven Fertigung zu erzeugen, aber diese Verfahren sind für große Mengen zu langsam“, erklärt Tahoori das Problem. „In siliziumbasierten Chips finden sich mehr als 100 Milliarden Transistoren, bei der gedruckten Elektronik sind es maximal 100 bis 1000 Komponenten. Hinzu kommt die Ungenauigkeit der Fertigung. Wenn man beispielsweise zwei Transistoren druckt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese am Ende exakt gleich sind, sehr gering“, so Tahoori weiter.

Die große Herausforderung und damit die grundlegende Forschungsfrage von PRICOM ist daher, wie man genaue, zuverlässige und energieeffiziente Klassifizierungsberechnungen durchführen kann, um die Anforderungen des Vorhabens innerhalb der Beschränkungen der additiven Druckproduktion zu erfüllen. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass der smarte Sensor eine Entscheidung (Klassifizierung) trifft, beispielsweise, ob eine Milch noch gut ist. Dafür wollen die Forschenden eine Mischung aus analoger und digitaler Rechnung  nutzen. „Die digitale Rechnung war in der Chip-Herstellung bisher üblich. Da wir in der additiven Fertigung aber so wenige Transistoren und Komponenten haben, kommen wir um die analoge Rechnung nicht herum, weil sie mit weniger Komponenten arbeitet. Dafür ist sie aber auch ungenau und reagiert auf Schwankungen sehr empfindlich. Mit dem Mischsignal, also dem Einsatz beider Verfahren, erhoffen wir uns eine optimale Lösung zu finden“, erklärt Tahoori.

 

 

Die Vision zum Leben erwecken

Die Forschenden konnten in den letzten Jahren bereits erfolgreich erste Komponenten drucken, implementieren und messen. „Am KIT haben wir gute Erfahrungen im Bereich der additiven Fertigung. Hinzu kommt unser enormes Know-how für Informatikmethoden und Elektrotechnik. Diese Verbindung von gedruckter Elektronik und Informatik ist selten. Auch bei maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz sind wir sehr gut aufgestellt. Der Mix dieser unterschiedlichen Bereiche ist ausschlaggebend für unseren Ansatz und wir sind auf einem sehr guten Weg“, beschreibt Tahoori. Aktuell arbeitet das Team an der Stabilität gedruckter Chips. Tahoori blickt optimistisch in die Zukunft: „In vielen wichtigen Lebensbereichen wie beispielsweise dem schnelllebigen Konsumgütermarkt (FMCG) oder der personalisierten Medizin ist der Mehrwert der Computertechnik noch nicht erschlossen, was vor allem an den hohen Produktionskosten für starre Siliziumtechnologien liegt. Dabei machen diese Anwendungen ein enorm hohes Marktvolumen aus und bieten damit auch ein großes Potenzial für smarte Technologien. Ich bin sehr optimistisch, dass wir mit PRICOM vorzeigbare Anwendungsprojekte generieren und damit bestimmte Aspekte unseres Lebens besser berechnen können. Mit dem Ziel, Halbleiterchips und bereits verfügbare gedruckte Elektronik um hochindividualisierbare, sehr kostengünstige, integrierte Elektronik mit Rechenkapazität zu erweitern. Weg von der Wüste hin zu mehr Lebensqualität.“

 

Weiterführende Links

 

Bilder v.l.n.r.: Shawn H 58 empel / Shutterstock | Kira Heid / KIT

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