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HALBLEITEROFFENSIVE MIT KI(T)

Wie der Einsatz von künstlicher Intelligenz den Wettlauf in der Halbleiterkrise entscheiden könnte, zeigen Forschende des KIT gemeinsam mit Industriepartnern im Projekt AISSI auf: sie arbeiten daran, die Chipproduktion in Deutschland agiler und wettbewerbsfähiger zu machen.



Mikrochip – Produkt der Stunde

„Unsere Welt ist spürbar im Wandel, hin zu mehr Digitalisierung und Elektromobilität. Halbleiterchips sind die Grundlage dafür, dass neue Technologien, wie E-Autos, 5G oder Industrie 4.0 umsetzbar sind“, sagt Christoph Jacobi vom Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL) am KIT. Die Chipproduktion wird heute von meist asiatischen oder amerikanischen Giga Fabs dominiert. Die Massenfertigung typgleicher Chips ist das Credo dieser Unternehmen, um die Produktionskosten und Endkundenpreise für Halbleiterchips so gering wie möglich zu halten. Der anhaltend hohen Nachfrage nach Chips begegnen die Branchenführenden mit einem massiven Ausbau der Produktionskapazitäten. In diesem Wettbewerb haben europäische Hersteller das Nachsehen.

 

Eine dunkle Fabrikhalle mit Robotern.
Beispiel einer Halbleiterfertigung im Reinraum: Im Projekt AISSI sollen neue KI-Basierte Ansätze die Produktionsplanung für die Chipherstellung verbessern und wettbewerbsfähiger machen. (Bild: IM Imagery / Shutterstock.com)

Klasse statt Masse

Den technologischen und anlagentechnischen Vorsprung aufzuholen, ist nur unter größter Anstrengung denkbar. „Die europäische Halbleiterindustrie geht einen anderen Weg, um sich auf dem Chipmarkt zu behaupten: mit Spitzenleistung in einem Nischenmarkt. Die Fertigung von hochspezialisierten und kundenspezifischen Mikrochips für komplexe technische Anwendungen ist eine europäische Spezialität“, erzählt Dr. Andrej Gisbrecht von der Robert Bosch GmbH. „Solche Spezialaufträge in kleineren Stückzahlen erzeugen einen immensen Planungsaufwand in den Produktionsprozessen der Chipfabriken. Je nachdem welches Material, welche Anlagen und Arbeitsschritte oder wie viel Personal eingesetzt wird, ergeben sich sehr große Leistungsunterschiede der Produktion. Wer ineffizient plant, lastet die verfügbaren Ressourcen nicht aus und produziert dementsprechend weniger“, so Gisbrecht weiter. Daher gibt es in jeder professionellen Produktion Experten zur umfassenden Planung aller Produktionsparameter, die den kurz- und mittelfristigen Arbeitsplan in einem sogenannten Schedule festlegen – mit dem Ziel hoher Produktivität (das heißt hohe Ausbringung) bei gleichzeitiger Einhaltung der zugesagten Liefertermine (hoher Servicegrad für die Kunden).

 

 

Halbleiterfertigung trifft KI

Im Projekt AISSI (Autonomous Integrated Scheduling for Semiconductor Industry) haben es sich die Projektpartner rund um das IFL und Bosch zur Aufgabe gemacht, die Produktionsplanung mit künstlicher Intelligenz auf ein höheres Level zu heben und so die Performance der Halbleiterproduktion zu verbessern. Jacobi gibt Einblick in die Projektarbeit: „Wir haben Daten- und Entscheidungsmodelle auf Basis von Deep Reinforcement Learning (DRL) für die integrierte Planung von Produktionsaufträgen und Wartungsaktivitäten entwickelt, die die Planungsexperten als Entscheidungshilfe unterstützen sollen. Dafür nutzen wir die Daten aus der realen Produktion unserer Partner und bilden diese in einem digitalen Zwilling ab. Diese digitale Fab dient aktuell als Simulationsumgebung und Trainingsraum für die KI und wir evaluieren ihre Leistungsfähigkeit anhand verschiedener Vergleichsmodelle.“ Damit die KI im produktiven Umfeld anwendbar wird, bauen die Projektpartner einen Scheduling-Agenten auf – eine Software, die den aktuellen Zustand in der Produktion als Input erhält und eine Scheduling-Entscheidung zurückgibt. Ein erster Demonstrator ist gerade kurz vor der Fertigstellung.

 

 

Nahaufnahme von Roboter, der Chips verarbeitet
Ein scheibenförmiger Wafer durchläuft die Halbleiterfabrik und wird als Werstück mehrfach bearbeitet. Am Ende entstehen nach mehreren Produktionsschritten durch zerschneiden des Wafers mehrere Tausend kleiner Mikrochips. (Bild: IM Imagery / Shutterstock.com)

Vom Datenstamm zum Entscheidungsbaum

Die Fertigungsprozesse in der Halbleiterindustrie zählen zu den komplexesten industriellen Prozessen: Parallele Prozessabläufe mit hunderten von Bearbeitungsschritten, welche sich zum Teil wiederholen, machen die Fertigungsplanung zu einem Entscheidungsproblem. Hieraus ergibt sich eine Vielzahl an Entscheidungsmöglichkeiten, die in dem KI-gestützten Scheduling-Agenten in Form eines verzweigten Entscheidungsbaums abgebildet werden. Die verbundenen Äste im baumartigen Graphen entsprechen dabei den möglichen Entscheidungspfaden. „Mithilfe des Entscheidungsbaums versetzen wir unser KI-Modell in die Lage, die Suche nach der sinnvollsten Lösung im Gesamtlösungsbaum einzugrenzen. Eine vollständige Durchsuchung des Lösungsraums ist aufgrund der hohen Anzahl an Entscheidungspfaden nicht möglich. Durch die Kombination der Baumsuche mit künstlichen neuronalen Netzen erhalten wir eine Prognose, in welchem Bereich des Suchbaums der Schedule zu finden ist, mit dem der Output der gesamten Fabrik am Schluss möglichst stabil und maximal sein wird“, beschreibt Jacobi die Entscheidungsfindung.

 

Besser wissen mit KI

Ein Ansatz, mit dem Jacobi optimistisch in die Zukunft blickt: „Aktuell decken die weltweiten Kapazitäten nicht die tatsächliche Nachfrage nach Chips ab, aber es wird irgendwann der Moment kommen, an dem es in Überproduktion umschlägt. Ein wichtiger Punkt ist, nicht einfach sehr viel zu produzieren, sondern auch noch höchst effizient zu produzieren. Denn an diesem Peak entscheidet sich, welcher Hersteller seine Chips zu den besseren Konditionen und dem günstigsten Preis anbieten kann. Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie entscheidend die Logistik in solchen Fällen ist. Erst wenn es mal im System hakt, wie zum Beispiel bei der Halbleiterkrise, zeigt sich, wie wichtig funktionierende Prozesse sind.“ Mit dem Scheduling-Agenten wollen die AISSI-Partner zukünftig ein logistisches Handwerkszeug bieten, um die Produktionsplanung so effizient wie maximal möglich zu gestalten.

 

Bilder: IM Imagery / Shutterstock.com

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