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STRAHLENDE ROBOTERSYSTEME

Forschende des KIT entwickeln gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern Robotersysteme, um radioaktive Kontaminationen automatisch von Trägerstoffen abzutrennen und damit den Rückbau von Kernkraftwerken zu optimieren.



Schluss mit Strahlung

Am 15. April 2023 sind mit Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 die letzten drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz gegangen, die Ara Atomkraft in Deutschland ist beendet. Vollständig abgehakt ist das Thema damit aber nicht, denn Kernkraftwerke können nicht einfach abgerissen werden, sie müssen sorgfältig zurückgebaut werden. Von den 33 stillgelegten Kernkraftwerken in Deutschland wurden bisher lediglich drei vollständig zurückgebaut. So stellte sich beispielsweise der erfolgreiche Rückbau des ersten Kernkraftwerks, Niederaichbach in Bayern, als zeit- und kostenintensiver Prozess heraus, der 20 Jahre dauerte und rund eine Milliarde Euro kostete. Der Rückbau der verbleibenden 30 Kraftwerke wird Deutschland somit noch jahrzehntelang beschäftigen. Mit der Sprengung der nicht radioaktiven Kühltürme zu Beginn des Rückbaus mag optisch die meiste Arbeit getan sein, sie fängt damit aber erst richtig an. Die kontaminierten Flächen des Kraftwerks müssen in Handarbeit abgefräst und freigemessen werden. Das ist nicht nur langwierig und sehr kräftezehrend, sondern hinsichtlich der radioaktiven Kontamination auch nicht ungefährlich. „Es gibt heutzutage teilautomatisierte Bereiche bei der Dekontamination, wie zum Beispiel autonome Raumaufnahmen oder maschinell geschützte Schritte, aber es gibt bisher kein System, das eine automatisierte Dekontamination durchführt und damit die Arbeit des Personals erleichtert“, berichtet Siavash Kazemi, akademischer Mitarbeiter im Fachbereich Rückbau konventioneller und kerntechnischer Bauwerke am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) des KIT.

 

Dennis Hartmann sitzt an einem Laptop und steuert den im Hintergrund stehenden GammaBot.
Der von Dennis Hartmann entwickelte GammaBot scannt und vermisst die Räume innerhalb eines Kernkraftwerkes. Die Daten werden in einem 3D-Umweltmodell zusammengetragen, das Basis für die anschließende Dekontamination ist. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Rückbau von Robotern

Gemeinsam mit einem Konsortium aus Forschung und Industrie arbeitet Kazemi innerhalb des Kompetenzzentrums ROBDEKON an autonomen und teilautonomen Robotersystemen für die Dekontamination in menschenfeindlichen Umgebungen. „Zum einen ist und bleibt die Strahlenbelastung bei der Dekontamination ein Thema, kann durch klare Vorgaben und Messungen aber immerhin geprüft werden. Zum anderen ist die körperlich schwierige Arbeit durch das händische Fräsen ein Problem. Mit ROBDEKON wollen wir genau an diesen beiden Punkten ansetzen. Unsere Robotersysteme übernehmen die körperlich schwere Arbeit in menschenfeindlicher Umgebung und entlasten damit das Personal sowohl körperlich als auch gesundheitlich“, erklärt Kazemi den Fokus des Projektes. Das Team arbeitet an einer geschlossenen Kreislaufkette für die Dekontamination und entwickelt dafür zwei Robotersysteme: den GammaBot und den DekontBot.

Die mobile Plattform DekontBot.
Der DekontBot ist eine mobile Plattform, die mit zwei verschiedenen Aufbauten versehen werden kann und so einerseits zum Fräsen kontaminierter Stellen und andererseits für die Freimessung der behandelten Stellen dient. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Der GammaBot ist eine kleine mobile Umwelterfassungsplattform, die im ersten Schritt zum Scannen und Vermessen der Räume innerhalb eines Kernkraftwerkes benutzt wird. „Der Roboter kann dank 3D-Laser-Scanner die Innenräume von kerntechnischen Anlagen autonom erkunden und erstellt ein 3D-Modell der erfassten Gebäudestrukturen. Zudem misst er mittels verbauter Szintillatorsonde die Ortsdosisleistung, um Kontaminationsstellen zu finden“, beschreibt Dennis Hartmann, ehemals wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Anthropomatik und Robotik (IAR), der den GammaBot gebaut hat und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Karlsruhe (HKA) weiterentwickelt. Die erfassten Daten bilden wiederum die Grundlage für den Einsatz des DekontBot im zweiten Schritt, der von Kazemi gebaut wird. Er erklärt: „Mit dem DekontBot haben wir eine mobile Plattform entwickelt, die mittels integrierter Sensoren in beengten Raumen sicher und automatisiert operieren und mit zwei unterschiedlichen Tools bestückt werden kann: Zum einen mit dem Fräswerkzeug, um die kontaminierten Stellen auszufräsen, und zum anderen mit dem Kontaminationsarray, um die behandelten Stellen anschließend freizumessen.“

Mithilfe eines integrierten Sicherheitssystems ermöglichen die Forschenden einen sicheren Betrieb der Systeme. Beide Roboter verfügen beispielsweise über Sicherheitssensoren, die Personen in der Nähe erkennen und eine Kollision durch sofortiges Stoppen der Roboter vermeiden. Der DekontBot besitzt zudem weitere Sicherheitssensoren, die beispielsweise die Neigung der Plattform messen, um ein Umkippen zu verhindern. Kontaktsensoren am Fräswerkzeug sorgen dafür, dass das Fräsen nur bei Kontakt mit der Wand erfolgt und Lokalisierungssensoren am Kontaminationsarray vermeiden bei der Freimessung den Wandkontakt, um die sensiblen Detektorfolien nicht zu beschädigen und eine noch mögliche Kontamination zu vermeiden.

 

Siavash Kazemi arbeitet an den Bauteilen des DekontBot.
Der Bau beider Robotersysteme ist einzigartig und individuell. Von Hardware über Software bis hin zur Programmierung der Automatisierungsalgorithmen haben die Forschenden Eigenentwicklungen erschaffen. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

Volle Dekontamination voraus

In der ersten Projektphase hat das Konsortium des Kompetenzzentrums die teleoperierten, teilautonomen und autonomen Demonstratoren zu praxistauglichen Systemlösungen weiterentwickelt. Die Grundzüge des GammaBot und des DekontBot sind entstanden. In der aktuell laufenden zweiten Projektphase steht neben der Fertigstellung der beiden Robotersysteme vor allem die Pilotierung im Vordergrund. „Durch die vielfältigen Partner innerhalb des Kompetenzzentrums von Fachpersonal mit Knowhow bis hin zu Industriepartnern, wie Zulieferer von Kraftanlagen, haben wir beste Voraussetzungen, unsere Robotersysteme von der Forschung in die Praxis zu bringen. Durch den nahen Praxisbezug können wir unsere Entwicklungen vor Ort testen und damit aufzeigen, dass sie in der Realität funktionieren. So planen wir beispielsweise in den nächsten Wochen im Kernkraftwerk Mühlheim-Kärlich den GammaBot außerhalb vom Kontrollbereich zu testen, um aufzuzeigen, dass er autonom seine Punkte findet, einen Scan macht und die Scans auch verbunden werden“, erklärt Hartmann.

In den nächsten Monaten beschäftigen sich die Forschenden damit, fehlende Bauteile fertigzustellen und die Kommunikation der Systeme zu verbessern. Projektziel von ROBDEKON ist die Verstetigung des Kompetenzzentrums. Ob Ausgründung oder Dienstleistung, Möglichkeiten gibt es diverse und diese gilt es zu definieren, um die Forschung in die Anwendung zu bringen. Für die Forschenden kristallisiert sich der Mehrwert des Kompetenzzentrums bereits jetzt heraus. „Mit unseren Robotersystemen können wir die zukünftige Dekontamination optimieren. Sie unterstützen das Personal einerseits durch die Übernahme der körperlich schweren Arbeit und minimieren andererseits die Gefahr, mit kontaminiertem Staub in Kontakt zu kommen. Damit schaffen wir ein sichereres Arbeitsumfeld beim Rückbau von Kernkraftwerken“, so Kazemi.

 

Weiterführende Links

 

Bilder: Amadeus Bramsiepe / KIT

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